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Molly Hatchet : Justice

Das ist doch mal wieder ein angenehmer Fall von "richtige Platte zur richtigen Zeit". Ein Blick aus dem Fenster offenbart Sonnenschein und blausten Himmel, soweit das Auge reicht (wurde aber auch langsam Zeit!). Da fällt es leicht, sich mental in den amerikanischen Süden zu versetzen, aus dem mir soeben das neue Album von Molly Hatchet in den Player geschwirrt ist. "Justice" heißt es, ist das erste Studioalbum seit satten fünf Jahren und, ich mache das mal kurz, jedem Fan der "neuen" Molly Hatchet (unermüdliche Fürsprecher der Urbesetzung könnten ja mittlerweile zur Konkurrenz von Gator Country abwandern) beinahe ohne Einschränkungen ans Herz zu legen wie alles, was seit "Devil's Canyon" aus Jacksonville, Florida kam.

"Beinahe", weil sich über 65 Minuten Spielzeit die eine oder andere Länge nicht vermeiden lässt. Das durchschnittliche "Tomorrows And Forevers" beispielsweise ist trotz nicht unoriginellem Saxophon-Einsatz eher ein Fall für den Skat, und ob in der Albummitte gleich zwei (für sich gesehen jeweils absolut gelungene!) Balladen am Stück hätten folgen müssen, wage ich auch zu bezweifeln. Dazu ist die sehr gitarrenlastige Produktion zwar wieder klar kraftvoller als noch die in einer Zeit voller Schicksalsschlägen entstandenen "Warriors Of The Rainbow Bridge", erschlägt aber auf der anderen Seite die Keyboards von John Galvin ziemlich, ausgewählte Solo-Spots mal ausgenommen. Lockerer - und auch southern-typischer - klingt die Band schon in der Livesituation, wie noch auf der unlängst veröffentlichten "Flirtin' With Disaster Live"-DVD nachzuhören.

Aber das alles wird spätestens dann zur Nebensache, wenn uns Hatchet unwiderstehliche Rocker der Güteklasse "Vengeance", American Pride" (ja, da hisst auch der nach amerikanischen Verhältnissen bestenfalls linksliberale Kommunistennazi von der SMP die Dixieflagge!) oder den ohrwurmigen Opener "Been To Heaven, Been To Hell" entgegenschleudert, aber durchaus auch, wenn mithilfe der oben erwähnten Balladen etwas arg auf die Tränendrüse gedrückt wird. Und am besten sind Molly Hatchet seit eh und je, wenn man in epischeres Territorium vordringt: das über achtminütige "Gonna Live 'Til I Die" (Loriot-Fans denken sich an dieser Stelle ein salopp eingeworfenes "Ach was?") setzt ein erstes Zeichen, aber erst der abschliessende Titeltrack hat wieder den vollen Wahn in bester "Fall Of The Peacemakers"-Tradition zu bieten: Das Western-Ambiente ("The Daltons ride and the desert sky gets swallowed up by the night..." - da jubelt der Lucky Luke-Fan in mir, auch wenn Ingram und McCormack wohl an die anderen Daltons dachten...;-)) ! Das Epos! Die scheinbar endlosen Gitarren- und Piano-Duelle! Das alles zocken die Jungs jetzt seit Jahrzehnten in Perfektion, aber es wird einfach nicht alt - so und nicht anders muss das einfach sein. (Dazu zählt natürlich auch das obligatorische Warrior-Cover, das den Epic Metal des Südens angemessen illustriert.)

(c)2010, Ernst Zeisberger