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Veni Domine: Tongues

Um es gleich vorweg zu nehmen: Veni Domine scheinen sich mit ihrer
jüngsten Einspielung "Tongues" endgülig ausgedoomt zu haben. Anders kann
das neue Album der schwedischen Christen-Rocker nicht verstanden werden.
Auch wenn man stilistisch zwischen den zahlreichen Stühlen aller
Metal-Genres Platz nimmt, so ist dieses Doom-out keinesfalls ein Burn-out.
Doch der Reihe nach.

In den letzten 15 Jahren haben uns Veni Domine sechs Silberlinge
präsentiert. Jeder ist anders. Doch alle werden von einem roten Faden
zusammengehalten. Den Auftakt bildet "Fall Babylon Fall" im Jahr 1992. Sehr
metallische Elemente verschränken sich hier mit epischem Doom und
Progressivität. Über allem thront der leicht an Geoff Tate erinnernde
Fredrik Sjöholm. Wo andere Sänger nur unter größter Kraftanstrengung
kurzzeitig hinscreamen, schwebt er leicht und dauerhaft.

Dies setzt sich über das geniale wie unerreicht doomlastige Album "Material
Sanctuary" (1994) bis zur dritten CD "Spiritual Wasteland" 1998 fort. Dann
tritt eine Zwangspause ein, weil sich der gute Sjöholm im Namen des Herrn
schlicht die Stimmbänder versaut hat.

Erst 2004 folgt das soundtechnisch brillante "Album of Labour". Sjöholm
nimmt sich hier stimmlich schonend zurück und verlagert sein
Außnahmeorgan in eher mittlere Frequenzen. Brettharte Gitarren haben das
epische Element abgelöst, doch bekannt düster bleibt die Grundstimmung.
Ohne ganz zu verschwinden verlagert sich das Doom-Fundament in Richtung
härter dargebotenem Art-Rock. Dieses Werk zu begreifen und schließlich
lieben zu lernen, das Sichhineinhören, ist tatsächlich Arbeit.

2006 folgt "23:59" und nun eben "Tongues" und schreibt die musikalische
Evolution von VD konsequent fort. Wer sich für dieses Album Zeit nimmt,
entdeckt mit jedem Durchgang neue Schönheiten gepaart mit tonaler
Erhabenheit. Wenn der Herr beim White Metal seine Finger im Spiel haben
sollte, dann hier. Denn VD definieren Progressive Rock/Metal jenseits aller
bekannten Grenzen. Jeder Akkord oder Drumanschlag, einfach alles
verschmilzt zu etwas Übergreifendem und bleibt am Ende doch Metal. Der
Hörer schleudert wie in einer Achterbahn.

Unterstrichen wird dies durch die vierte glasklare wie breite Produktion in
Folge, ähnlich den letzten beiden Sieges Even CDs. Doch leider klingt
"Tongues" auch leicht steril. Und den gerade zu "Material Sanctuary"-Zeiten
dominierenden Doom-Anteil wird man hier - fast! - vergeblich suchen.

Schon das erste "Tongues"-Stück "October" könnte das härteste sein, welches
uns VD jemals servierten. Unterstrichen wird dies von geradezu wildem
Gitarrenspiel und schnellem Bass. "Scream" schließt daran nahtlos an. "The
Bell Of A Thousand Years" nimmt erstmals Tempo raus. Ruhiger beginnt "The
Rider Of The White Horse", um dann aber doch den Takt zu erhöhen. Ein
erster Bruch ist "Two Times", welches leicht an die "Promised Land" von
Queensryche erinnert. Und weil "Tongues" Stück für Stück ruhiger wird,
bietet "Bless my Pain" die erste richtige Erholungspause. "Stay With Me"
zieht wieder ein wenig an. Das folgende "You Leave Me Cold" erinnert stark
an die beiden Vorgängeralben. Und der teilweise im Hintergrund schwebende
Chorgesang war bereits auf den Anfangsalben ein VD-Markenzeichen. Alleine
dieses Stück rechtfertigt die Anschaffung von "Tongues". "Tree Of Life"
ebnet schließlich den Weg zum großen Finale. In einer Art Referenz an sich
selbst zeigen VD mit dem letzten Stück "Tongues" eindrucksvoll, was man
zwingend unter genialem Christian Progressiv Doom zu verstehen hat.
Umwerfend!

An Veni Domine werden sich weiterhin die Geister scheiden. Der richtige
Doom-Fan sollte mit "Material Sanctuary" - besonders mit dem dortigen
Überstück "Beyond The Doom" - beginnen. Hörer der Richtungen Queensryche,
Savior Machine, Sieges Even, Fates Warning und Dream Theater sowie all
diejenigen, die bereit sind, sich mit Musik zu beschäftigen, sollten
"Tongues" aber eine Chance geben. Sie werden belohnt. Ein wenig White Metal
zur Unterstreichung und Stärkung des eigenen kulturellen Kontext kann in
Zeiten wachsenden islamischen Terrorismus auch nicht schaden. Etwas
bedauerlich ist nur, daß VD den Doom so weit zurückgeschraubt haben. Das
sollten sie ein wenig korrigieren auf dem hoffentlich siebten Album.

(c)2007, Heiko