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Trans-Siberian Orchestra : Night Castle

Ist man dem ehemaligen Savatage-Produzenten und Hobby-Weihnachtsmann Paul O'Neill wohlgewogen, so könnte man ob seiner neuen Rockoper "Night Castle", der erst zweiten von TSO ohne Bezug zum Christfest (ergo: "Früher war mehr Lametta." Öhm, will sagen, unerträglicher Zuckerwattekitsch.), mutmaßen, er wolle die Kompositionen der ehemaligen Kultband unbedingt einem grösseren Publikum nahebringen als ehedem. Zynischer veranlagte Zeitgenossen werden wohl feststellen, dass dem Manne spätestens jetzt die zündenden Ideen ausgegangen sind - finden sich doch auf dem Doppelalbum nicht wenige Selbstzitate wieder.

Dabei sind es nicht nur die dem Zuhörer durchaus nicht verschwiegenen Neuauflagen des eher halbgar neu verwursteten Gänsehautfaktor-Zehn-Klassikers "Believe" (technisch und gesanglich zwar in Ordnung, aber die alte Magie ging halt flöten!) oder der eh schon klassisch verwurzelten Savatage-Instrumentals wie "Prelude To Madness" (heuer in "The Mountain" umgetauft) oder "Mozart And Memories" (einst im Mai mal als "Mozart And Madness" abgefeiert!), die den Verfasser dieser Zeilen beinahe dazu nötigen, sich eher der Zweiflerfraktion anzuschliessen - klar haben diese Nummer nichts an Klasse verloren, aber sonderlich inspiriert wirkt derartige Zweitverwertung anno 2009 halt auch nicht mehr - nein, auch in vermeintlich exklusivem TSO-Material sind streckenweise die Sava-Flashbacks nicht zu vermeiden. So ein "Another Way You Can Die" zählt wohl wie die meisten Stücke mit dem unlängst bei Journey geschassten Jeff Scott Soto am Mikro zu den Höhepunkten des Doppeldeckers, aber herrje, das wusste der Grossteil der Leserschaft dieser Seite auch schon anno 1995, als das Lied noch "Doesn't Matter Anyway" hiess. Ehrlich gesagt war es das Höchste der Gefühle in Sachen Überraschung, dass in den überlangen "There Was A Life" und "Epiphany" an strategisch günstiger Stelle einmal nicht der berüchtigte O'Neillsche "Chance"-Kanongesang ertönt.

Bei aller Kritik: "Night Castle" enthält einiges an gelungenem Material, das Freunden der "Dead Winter Dead"-Ausrichtung mit Hang zum Musical absolut zusagen sollte. Insbesondere in den klassisch arrangierten Instrumentals (vor allem an Bach hat man diesmal einen Narren gefressen) klingt das alles, als würde es der Band mächtig Spass machen, und dementsprechend schwappt diese Begeisterung auch auf den Zuhörer über. Sobald ein Sänger seine Stimme erhebt, neigt aber die instrumentale Dynamik zu oft gen Nullpunkt - wenn das, wie von Jon Oliva schon mal behauptet, denn nun wirklich die Fortsetzung von Savatage sein soll, dann sind das doch bestenfalls Savatage mit abgeschliffenen Ecken und Kanten.

Immerhin, so in etwa über 'ne Dreiviertelstunde wie weiland auf "Dead Winter Dead" weiss das Orchester innerhalb der selbstgesteckten Grenzen bestens zu unterhalten. Das Problem: das hier ist ein zweistündiges Doppelalbum. Und damit finden wir hier mehr Leerlauf als auf "Gods Of War" von Manowar. (Mit letztgenannter Platte gemein hat man auch die hervorragende Aufmachung inklusive Bombast-Booklet, aber zum Glück nicht den Gruselsound. Paul knows his stuff.) Verflucht zwiespältig, das alles.

Ach ja, Paul? "Believe" is not a fucking bonus track. Thank you and goodnight.

(c)2009, Ernst Zeisberger