WatchTower
Headway Progressive Rock & Metal Festival
Amstelveen/Niederlande – Samstag 3. April
2004
Sie erfanden quasi im Alleingang den Progressive Metal als der,
irreführenderweise, ‘Techno-Metal’ getauft wurde. Sie spielten mit Energetic
disassembly und Control and resistance zwei Meilensteine des Genres
ein. Sie tourten mit den seit Lebzeiten mindestens ebenso unterbewerteten
Schweizern Coroner. Sie kehrten vor einigen Jahren überraschend auf europäische
Bühnen heim während dem Bang Your Head!!! Sie lassen uns seit Jahren im unklaren
ob denn das dritte Album Mathematics überhaupt jemals erscheint. Und
jetzt, heute abend, sind sie, die genialen Undergroundkings aus Austin, TX,
wieder aus ihren texanischen Löchern hervorgekrochen um in einem
niederländischen Club den alten und den neuen Metalheads zu zeigen wie
man Progressive Metal zu spielen hat. In der Traumbesetzung Jason McMaster
(Gesang), Ron Jarzombek (Gitarre), Rick Colaluca (Hands & Feet) und Doug Keyser
(Bass) stehen sie in diesem Vorort von Amsterdam vor gefüllter Kulisse auf der
Bühne und legen los – um anderthalb Stunden lang nicht mehr zu bremsen. Ein
wahres Texas-Metal-Inferno an Mörderriffs und Killerbreaks wird in das
euphorische Publikum geschleudert als hätte es - nennen wir die Sache doch beim
Namen - die post-Dream Theater-Periode von seichtem Fusion- und
Alternative-Progschrott nie gegeben. In einem uralten Dark Angel-Leibchen
screamt McMaster (der Name ist Programm) wie in alten Zeiten sämtliche
Möchtegern-Piepsern in Grund und Boden, rennt dabei wie ein Berserker herum,
macht keinen Halt vor schrägen Witzen und erinnert in seiner unbändigen Energie
noch am ehesten an eine Dauerexplosion. Die Herren Jarzombek (The Riffmaster
General!), Keyser (ohne Kermit-Outfit, aber mit Dauergrinsen und grüner
Fantasiemütze) und Colaluca (schneller als sein Schatten) treffen dabei jede
Note, hauen massenweise Klassiker raus und haben dazu sichtlich einen
Höllenspass. Es ist mir wieder einmal unerklärlich wieso denn diese Götterband
aus Texas im Underground steckengeblieben ist während…, ach, lassen wir das!
Instruments of random murder, Mayday in Kiev, Social fears (in
einer unfassbar aggressiven Version), Tyrants in distress (hell yeah!),
The fall of reason, Control and resistance und und und! Die
vorderen Reihen rasten ganz aus und neben mir erreicht ein Pärchen sogar einen
tieferen Höhepunkt – das, Freunde, ist Metal to the fuckin’ max.
Da der texanische Humor bekanntlich seine
besondere Ecken und Kanten hat – im Englischen nennt man das acquired taste
– packen die Watchtower-Witzbolde zudem noch aus mit einer herrlich schrägen
Billie Jean-Parodie, wobei die Hüftentechnik des Herren McMaster für rege
Unterhaltung sorgt. Wacko Jacko ist tot – und lebt in Texas. Publikumsbeifall
gibt’s auch für einen kleinen Medley bestehend aus nur Judas
Priest-Refrainstrofen. Coole Idee- sollte man öfters machen! In der Zugabe zeigt
die Band dann allen Hobbymuckern - und manchem Profi – wie echte Musiker denn
Rush-Material covern: ohne mit der Wimper zu zucken.
Sie sind noch immer Watchtower. Sie spielen
noch immer jeden an die Wand. Sie waren und bleiben das Non Plus Ultra in
Progressive Metal. Und jetzt sollen sie sich gefälligst zu hause in Texas um den
Grill setzen, sich ihre Demo- und Rehearsaltapes krallen
und verdammt nochmal Mathematics einspielen.
(c)2004, Oliver Kerkdijk