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Wacken Open Air 2000

Ein Camping-Hasser in Wacken
oder Impressionen eines Festivalmetallers


Nie mehr wollte ich zu einem Festival fahren. Zelten
habe ich schon  1978 gehasst, im Regen stehen finde
ich reine Zeitverschwendung, die sanitären Anlagen sind
immer eine Zumutung und über das kulinarische Angebot
schweige ich mal ganz. Und die Musik? Höchstens haben
die Bands - die alle normalerweise nicht länger als
eine Dreiviertelstunde spielen - einen
mittelprächtigen Sound. Noch dazu isses am Tage viel
zu hell (Tageslicht und so), da kommt meistens nur
bedingt Metal-Atmosphäre auf. Zugaben bei
hervorragenden Gigs sind selten, denn die nächste Band
muss ja ran.
Da man im fortschreitenden Alter aber manchmal zu sehr
in dem eigenen Luxus erstarrt ist und fast vergessen
hat, dass irgendwo tief in einem drin doch noch ein
Rocker steckt (hallo Herr Lindenberg), müssen all
diese Beschwerden ab und zu mal vom Tisch gefegt
werden, damit die Perspektive wieder stimmt.
Wacken 2000 also für mich. Heir Apparent, Breaker,
Liege Lord, Angelwitch, Gaskin, Labyrinth, Iced Earth

und nog 'zig andere Truppen des metallischen
Reinheitsgebots gaben im mythischen Jahr zwotausend
acte de présence, und tja, was macht man da? Zelt und
Luftmatratze borgen, Bankkonto vollpumpen, Ticket
besorgen und up! up! and away!

Donnerstag 3. August; Old habits die hard

Am Donnerstagabend legten die Southerners von Molly
Hatchet
los mit ihrem zeitlosen Mix aus Hardrock,
Boogie und Blues. Meister Bobby Ingram feuerte seine
gefühlvollen Soli in die noch nicht sooo zahlreich
anwesenden Massen, that guitar sure was smokin', man!
Der Rausschmeisser war das uralte und mitsingbare
"Flirtin' with disaster" vom gleichnamigen Album aus
den späten Siebzigern. Ein good-time Auftakt des
wackenschen Geschehens. Vielleicht könnte man fürs
nächste Jahr schon mal bei Herrn Rossi und Parfitt
anfragen, damit wir am Donnerstagabend "Down down,
deeper and down" gehen können.
Mittlerweile hatten sich erheblich mehr Leute vor der
Hauptbühne eingefunden und davon profitierte die
All-Star-Fraktion The Company of Snakes (darunter Don
Airey, das Duo Moody/Marsden und ein erschreckend
nüchterner Gary Barden) als sie den Abend mit einer
Art von Whitesnake-/Rainbow-Jukebox ausklingen liess.
Während dieser guten Show fiel mir wieder auf, wie die
Zeiten sich geändert haben. Waren Whitesnake und Co.
zu ihren Glanzzeiten noch übelstes Poserterrain, in das
sich kein "echter" Metaller wagte, so konnte ich
beobachten, wie jetzt ringsum Headbanger über dreissig
und mit Kutten voller alten Anthrax- und
Testament-Aufnäher abgingen bei Schlagern der Marke
"Here I go again" und "Since you've been gone". Es kam
so richtig Freude auf, denn die "Musik" die es
heutzutage ins Radio und die Schlafzimmer der Kiddies
schafft, ist schlichtweg unerträglich und gehört
meiner Meinung nach verboten (die Petition unterschreibe ich blind! -Michael). Long live the 'Snake!
Long live rock 'n' roll!
Das persönliche Tequila-Meter gab dreiviertel Liter
an, Schicht im Schacht also; morgen viel Arbeit.

Freitag 4. August: Day of reckoning

Ganz und gar nicht frisch begab ich mich um ein Uhr
Mittags zum Dark at Dawn-Konzert. Die Jungs spielen
richtig schweren Power Metal mit düsternen Zutaten.
Der Sänger wäre besser bei einer extremeren Band
aufgehoben, aber das ist wohl Geschmackssache.
Samson gaben auf der Mainstage eine eher lasche Show.
Thunderstick hatte man wie in alten Reading-Zeiten in
'nen Käfig gesteckt und Paul Samsons Gitarre war viel
zu weit im Hintergrund. Shouter Nicky Moore (der eine
sehr andere Version von "Vice Versa" zum besten gab)
war bestens bei Stimme und bei diesem Gig bemerkte man
schon die beachtliche Anzahl von NWoBHM-Fans auf dem
Gelände.
Anschliessend wurde obskurster Rostmetall ausgepackt:
die Briten von Gaskin betraten die Party Stage und
legten los mit "The man is back". Das ich das noch
erleben durfte - Bleichgesicht Paul Gaskin himself mit
Kopftuch, Charme und Gitarre! Es wurde ein Querschnitt
aus altem und neuem Material gespielt; "Tomorrow
today", "Sweet dream maker", "England my England"
(ja!), "I'm no fool". Der japanische NWoBHM-Fanatiker
mit Kutte und Pilotenbrille vor mir hatte ein solch
breites Grinsen auf dem Gesicht, dass man meinen
könnte, er hatte schwer was geraucht. Ich habe meine
all-time favourite Ballade "Handful of reasons" zwar
schmerzlich vermisst, aber danke dem Metalgott da
unten für dieses Konzert.
Danach waren Royal Hunt definitiv die falsche Band für
mich. Ich mag von ihren Platten eigentlich nur "Moving
target" und das letzte Stück ihres Sets dass ich noch
mitbekam wurde nur schmackhaft gemacht durch
Wundersänger und -Performer John West. Zuviel Keys, zu
wenig Pepp; das ganze ist ungefähr so Metal wie meine
Zahnbürste.
Nach einer kleinen Pause (man muss ja hin und wieder
Nahrung zu sich nehmen) ging es schnurstraks zur
Hauptbühne zurück, wo etwas Unwirkliches passieren
würde. Yes, the fallen angels were entering the
pandemonium: Angelwitch live in Wacken. Kevin
Heybourne war kaum bei Stimme, aber es war die Hölle
los während "Atlantis", "White witch", "Sorceress",
"Confused", der Demo-Gassenhauer "Twist of the knife"
und natürlich "Angelwitch" aus der PA schossen. Gewiss
war das technisch nicht gerade Weltklasse (der
Soundmann bekam teilweise nur die Hälfte seiner Arbeit
hin!), aber hier zählte vor allem der allerseits so
beliebte/gehasste Nostalgiefaktor. Und ja, sie haben
es gespielt: "Angel of death"! Thank you Mr.
Heybourne, we are definitely not worthy.
Seltsamerweise spielten danach auf der immer
kontroversiellen Black Stage nicht die
Panzerkommandanten von Marduk ("Sie sind noch nich'
angepinselt", gab Götz "Painkugel" Kühnemund trocken
zu Protokoll), sondern die Helden aus dem arschkalten
Bergen, Immortal. Ich bin zwar kein Black Metalfan,
aber ich liebe die "At the heart of winter"-Scheibe
mit ihrer epischen Atmosphäre und traumhaften
Gitarrenharmonien. Ja, die krassen Vocals muss man als
Power Metalfanatiker erst verkraften, aber dann gibt's
kein halten mehr. Was die so genannten neuen "True
Metal" Bands mit viel Keys, Synths, Samples und
Bombastkram vergeblich zu erzeugen versuchen, nämlich
METAL, kriegen Axeman Abbath, Bierbauchpfleger Horgh
und (Aushilfe-)Basser Iscariah mit fast
ausschliesslich traditionellen Instrumenten haargenau
hin. Leider macht sich in der Live-Situation das
Fehlen eines zweiten Gitarristen bemerkbar (der an
einer chronischen Handgelenkentzündung leidende
Demonaz wird wohl fürs erste nicht in die Band
zurückkehren können), was natürlich Kracher wie
"Solarfall", "Damned in black" oder "Blashyrk Mighty
Ravendark" etlichen Nuancen raubt. Trotzdem ein
fantastischer Gig, wobei der Sound Engineer leider
Gottes (aha...) nicht kapieren wollte, dass es viel zu
leise war. Immortal rule!
Auf der Main Stage hatte man inzwischen den kitschigen
Dungeons and Dragons-Backdrop in blau und gelb
aufgehängt; die Bombast-Italiener von Rhapsody
meldeten sich. War das erste Album "Legendary tales"
noch konsumierbar (das scheussliche Cover mal
ausgenommen), das nachfolgende "Symphony of Enchanted
Lands" konnte ich mir nicht mehr als dreimal antun.
Live kommt es noch schlimmer. Gitarrist Luca Turilli
und Tastenmann Alex Staropoli haben einfach nicht
kapiert, dass zuviele Noten und Kinderchöre den
musikalischen Genuss versauen. "Hollywood Metal"
nennen die ragazzi das, was sie da mit Samples
überladen auf ihr Publikum loslassen. Ich kann
Hollywood-Kino schon nicht leiden, geschweige denn,
das ich mich mit diesem knallbunten True Metal-Kitsch
herumplage muss. Noch dazu kommt die peinliche
Bühnenpräsenz (äh...) des Sängers. Njet, und abermals:
njet. Das war der berühmte Schuss in den Ofen.

Intermission: How the metalhead was fed

Ah! Ein grosses, kaltes Bier im Gasthof im Dorf. Ein
richtiger Stuhl auf dem man sitzen kann! Richtiges
essen, statt Killerburger und Pommes tot-weiss. Ich
wünsche mir fürs nächste Wacken ein echtes Restaurant
auf dem Festivalgelände, damit ich Sushi, Canard à
l'orange und einen ordentlichen Rotwein geniessen kann
bevor's dann wieder zur Sache geht. Yeah, ich weiss:
ist kein Rock 'n' Roll. Scheisse auch.

Freitag: Métal hurlant, deuxième partie

Da ich vom Gasthofstuhl partout nicht hochkommen
konnte, verpasste ich somit den Anfang des Armored
Saint
-Auftritts. Was ich dann aber sah und hörte, war
schlichtweg unfassbar: Power, Power, Power und
abermals Power. Die L.A.-Götter um Screaming-God John
Bush (lass dir die Mähne wieder wachsen, John, und ich
vergeb dir deine Anthrax-Nebenbeschäftigung!) fegten
über die Black Stage (the irony...) wie eine
Metalmaschine. Von Klassikern wie "Delirious nomad"
und "Can U deliver" über "Tribal dance" und "Symbol of
salvation" bis hinzu Knallern wie "After me the flood"
und dem Mördertrack "Book of blood" gab es die
geballteste Ladung seit wasweissich. Es krachte an
allen Ecken und Kanten - The Mighty Saint is on the
march again. Trotzdem frage ich mich immer wieder
warum ich das denn immer überall lese, während ihre
Platten so schlecht verkaufen. Ich kann's ums
verrecken nicht sagen.
Und gleich ging's weiter - ich bedauere es übrigens
sehr, den Auftritt der Brüder Chris und Tino Troy und
Praying Mantis sausen lassen zu müssen - weiter mit
der Truppe die das Kunststück fertigbrachte, in Zeiten
tiefster musikalischen Traurigkeit (ich sag nur:
Grunge killed the nineties...) niemals die Metal Torch
abzugeben. Im Gegenteil: Jon Schaffer (der irgendwann
sein Monument in Metall haben wird) ging mit umso mehr
Leidenschaft an die Sache heran und hielt seine Band
Iced Earth trotz vieler persönlichen Schicksalsschläge
und Business-Scheiss am Leben. Und an diesem
Freitagabend wurde wohl ein für allemal deutlich, wer
denn als "truly dedicated metalhead" dekoriert werden
muss. Trotz schwerer Nackenverletzung und -Operation
spielte Jon Schaffer den Wacken-Gig. Als die ersten
Bühnenlichter und Feuerwerkskörper aufflammten (es war
mittlerweile gegen elf Uhr abends und schön dunkel),
hatte sich die Mehrzahl der Wacke(re)n Besucher auf
dem Feld vor der Hauptbühne versammelt. Der Set war
erheblich anders als normal; viele Midtempo-Stampfer
wie "Burning times" und "Desert rain", Balladen
(natürlich eine Gänsehautausgabe von "I died for you")
und nur wenige schnellen und alten Sachen. Jon konnte
sich nur schwer bewegen (wundert mich, dass er den Gig
nicht sitzend gespielt hat), dafür rockte Matthew
Barlow - the best Iced Earth singer ever - mächtig ab
und sang dazu noch wie ein Gott. Man hörte im Publikum
Gemecker über vermeintlich fehlende Kracher wie
"Angels holocaust" oder "Stormrider", aber auch
Respekt Schaffer gegenüber. Jon, you're the genuine
article. Get well soon.
Mitternacht und kein Ende in Sicht. Au contraire:
nachdem die Abba-Covermetaller von Black Sweden (muss
man erst draufkommen; ich meine, wer ist hier denn
jetzt bescheuert?) die kleine Wet Stage verlassen
hatten, war nebenan auf der Party Stage
Götterdämmerung: die US-Metal-Legende Liege Lord
betrat zum ersten und wohl auch letzten Mal eine
europäische Bühne. Es stellte sich zwar heraus, dass
es sich nur um zwei Fünftel der Originalbesetzung
handelte (Sänger Joe Comeau und Gitarrist Matt Vinci),
aber das vermochte die euphorischen Fans nicht zu
stören. Das "Freedom's rise"-Album blieb in der
Setlist unbeachtet (very, very disappointing indeed),
aber Comeau und seine Metal Maniacs knallten uns dafür
in einer viel zu knappen Dreiviertelstunde alle
Highlights von der Göttergabe "Master control" vor den
Latz. "Feel the blade" (wobei Comeau ein Schwert in
die Bühne rammte!), "Broken wasteland", "Eye of the
storm", der Rainbow-Klassiker "Kill the king"
(sa-gen-haft) und natürlich der unbarmherzige
Titeltrack, feuchter Gitarrentraum jedes
US-Metal-Bangers. Es war kaum zu fassen, so schnell
war der Auftritt wieder vorbei - they came, they
raged, they conquered.
"The day thou gavest, Lord, hath ended". Aber, he,
noch nicht ganz. Waren da nicht noch auch... Ja, da
waren sie, die Melodic-Power-Kings aus Cleveland,
Ohio: um zwei Uhr morgens (a two-minute silence here
for all you metalheads that stayed on to witness a
legendary show) legten Breaker los und setzten das
i-Tüpfelchen auf den Metaltag. "Standing in the light"
(where the RIFF is KING), "Obsession", das mächtige
"Walking the wire" (mit alles zerschmetternden Vocals
von König Jim Hamarr) - es war Heavy Metal Heaven. Don
Depew und Michael Klein lieferten sich auf ihren
Flying-V's Gitarrenduelle wie ich sie seit 1981 bei
Accept (Fischer/Hoffmann!) nicht mehr erlebt habe. Als
die Breaker-Bande dann auch noch "10 seconds in"
(jaaaaaaa) und das non-plus-ultra in melodischem
Achtziger Metal "Still life" durch die Anlage jagte,
war die Welt für einen Moment fast in Ordnung. A
twenty-one gun salute to Breaker and the unflinching
Bill "Auburn" Peters for this once-in-a-lifetime
Wacken experience. Und jetzt alle: "...There's two
more bullets in the rain...!"

Samstag 5. August: The day after the day before

Da nachts auf dem Campinggelände allerorts auf jeder
erdenklichen Art gefeiert wurde, war das mit dem
Schlafen so 'ne Sache. Aus der warmen Dusche, die man mir
dann am Morgen versprochen hatte, wurde eine kalte
(is' halt noch true-er), und nach einem Frühstück -
dass diesen Namen im bürgerlichen Leben nicht verdient
hätte - ging's ins Labyrinth. Die
Italo-Melodic-Speedsters legten auf den Brettern der
Main Stage eine astreine Show hin. Vor allem die zwei
Gitarristen (Doppelleads en masse!) und der
erstklassige Fronter bestechen durch eine traumhafte
Beherrschung ihres Métiers; daran kratzen
Tralala-Turilli und seine Kitsch-Mädels nicht mal.
Labyrinth beweisen zudem dass man sich trotz komplexen
Songstrukturen nicht in den eigenen Wirrwarr verlieren
muss (Labyrinth-Kenner eben) und man obendrein noch
das Gaspedal voll durchtreten kann. "New horizon",
"Thunder", "Lady lost in time" - allesamt Perlen
reinen Metals, technisch vorzüglich und energisch
dargeboten. Sie sind viel besser geworden in den
letzten zwei Jahren und sie haben das Zeug zum grossen
internationalen Metalact.
Der Black Metal-Schwachsinn von Ancient (klang eher
wie ein ausgedehnter Soundcheck), sowie der auf diesem
Festival völlig fehl am Platz wirkende Dance-Metal (zu
Metal wird NICHT getanzt; das möchte ich hier mal
klarstellen) von Pain schenkte ich mir dann. Von Blaze
hab ich noch nie viel gehalten, ist nun mal nicht mein
bevorzugter Sänger. Aber es wartete ein besonderes
Schmankerl auf uns Alt-Metallians: im vollen
Tageslicht (man kann halt nicht alles haben im Leben)
enterten die in schwarz gekleideten Briten von
Solstice die Party Stage. Es gab Epic Doom Metal vom
feinsten - und hier versammelte sich erwartungsgemäss
der Underground schlechthin. Das Monsteralbum "New
dark age" (wer es nicht hat, hat es nicht) wurde quasi
komplett gespielt, und bei Solstice sah und hörte man
erst wieder recht was denn nun Metal ist und was
Tuntenkram (hallo Hofmann-Of-Steel). Tonnenschwere
Riffs überrollen den geneigten Headbanger ohne
Kopfbedeckung, ein Augenblick später wissen die
doomig-folkigen Gitarrenharmonien wieder zu
verzaubern. Und wenn Sänger Morris Ingram in H.P.
Lovercraft-/Clark Ashton Smith-literarischer Weise mit
getragener Stimme singt von vergessenen Kriegern in
traurigen Ländern hinter dem Horizont, dann weiss man:
we are in the presence of heroes.
Was tun wenn einem episch-melancholische Juwelen wie
"Cimmerian codex" oder "The sleeping tyrant" offeriert
werden? Man verbeugt sich und streckt den Faust gen
Himmel, Sonne hin, Tageslicht her. Und "Cromlech" ist
doch wohl ein einziger Höhepunkt des Epic Doom:
"Lend me your steel moribund man
For three suns drown a kingdom (of dusk)
And (as lost portents) three moons wane
The soil drank our blood with insatiable thirst
A mute ocean sleeps behind dormant eyes
The warrior (that was I) a shadow in stone
I was the wrath beneath the heavens
In ebon forest, upon oaken throne"
Robert E. Howard hätte den Doom-Haufen aus Suffolk auf
'nen ordentlichen Krug Lager eingeladen, da besteht
kein Zweifel. Die Band hatte aber noch eine totale
Überraschung für alle NWoBHM-Fans parat: als "Zugabe"
spielte man eine souveräne Version des
Trespass-Klassikers "Stormchild"! Ich konnte es nicht
fassen, ich konnte es einfach nicht fassen. Hail!
Hail! All hail Solstice!
Pause? Aber hallo. Während Lizzy Borden auf der
Hauptbühne sein "Rod of iron" auspackte
(Klammerbemerkung nach eigener Wahl), schaute ich mir
einen Teil des Auftritts der Australier Vanishing
Point
an. Irgendwie hab ich die erste Scheibe (der
zweite Streich folgt gleich) dieser
Progressive-Powerband immer im Regal stehen lassen,
aber das muss ich wohl jetzt korrigieren. Die ziemlich
seriöse, melodische Mucke der Aussies war mehr als nur
überraschend gut und der junge Sänger überzeugte in
wirklich allen Tonlagen. Tip.
Hah, und dann war der Dämon los!. Ja, "Night of the
demon" und "The unexpected guest" stehen als Vinyl bei
mir rum, aber ich habe die Band um Frontkasper und
Totalmedialperformer Dave Hill ehrlich gesagt nie viel
Aufmerksamkeit geschenkt. War wohl ein Fehler, denn
als die Demon-Stunde schlug, war vom Anfang an klar,
dass es denkwürdig sein würde. Ja, ich geb's zu,
Michael und Ernst: das war einer der besten Auftritte
auf dem Wacken 2000. Was der Dave und seine Mannschaft
da pointiert und mit einem Mordsspass aus ihren
Organen/Instrumenten herausholten, war nicht zu
toppen. Das kleine Feld vor der Party Stage war
rappelvoll (auf der Black Stage lärmten die
Schweden-Röchler 'n' Roller von Entombed vergebens
herum) und man sah ringsum entzückte Kindergesichter.
Ach, Überraschungsschokoladeeier und zeitloser
(Hard)Rock färben die Welt ein wenig fröhlicher.
Hades (trotz zwei sehr guten Studioscheiben) und
Nightwish (trotz einer sehr guten Studioscheibe)
musste ich mir nicht unbedingt angucken, deswegen
gab's erst mal ein Terrorburger from Hell und 'ne Cola
(ja; 'ne Cola). Danach waren Jacob's Dream an der
Reihe, die US-Metaller die in Balingen auf manchen
erwartungsvollen Besucher einen total enttäuschenden
Eindruck hinterliessen. War hier alles halb so
schlimm, obwohl es recht seltsam ist wenn man als
zwei-Gitarren-Band mit drei Axt-Schwingern auftaucht
und man als Zuschauer trotzdem nur zwei von ihnen
heraushört. Macht nix, die feine Tradition des alten
und immerfort frischen US-Metals wurde von den Herrn
um den sehr böse guckenden Shouter David Taylor
ordentlich gepflegt. Schade dass man den epischen
Tränentreiber "Sarah Williams" nicht brachte, aber
Hammertracks wie "Crusade" und das unglaubliche "Tale
of fears" taten es auch. Bei letzterem Song schlich
sich Alan Tecchio (Watchtower/Hades) ans
Gitarristenmikro und steuerte einige edle
Background-Vox bei. Taylor war stimmlich voll auf der
Höhe und klang auch im neuen, aggressiven "Theater of
war" sehr abwechslungsreich. Klasse Auftritt, dessen
letzter Abschnitt ich aber von der benachbarten Party
Stage aus verfolgte, weil da subito nach den letzten
JD-Tönen einer der sehnlichst erwarteten Gigs des
gesamten Festivals folgen würde: der von Heir
Apparent
.
Bandkopf und all-round Pechvogel Terry Gorle war schon
am soundchecken, es war irgendwie wie in einer diesen
Twilight Zone-Episoden; vor dir auf der Bühne hat sich
der Mann, den du seit Jahren vergötterst, seine Gitarre
umgehängt und wartet bis er nach all den Jahren des
Unglücks und Kämpfens endlich die Finger wieder
flitzen lassen kann. Du glaubst es kaum und du wartest
mit ihm.
Nach einer Ansage von Hellion-Kapitän Jürgen
"Sonnenbrille immer dabei" Hegewald ging es dann
looo-hoooos! Aus der Urbesetzung waren Gorle und
Wunderbasser Derek Peace dabei, der sehr sympathische
Sänger (dessen Name ich hier leider nicht
reproduzieren kann) musste höchsten Ansprüchen gerecht
werden. Er entschuldigte sich gleich für das fehlen
der richtig hohen Töne und hatte in manchen Songs die
Gesangslinien geschickt seinem Bereich angepasst.
Besser als einer der es trotzdem versucht, gnadenlos
scheitert und das Konzert zu einer Tortur und herbe
Enttäuschung macht, oder?
Eine Stunde lang gab es also eine Best of Heir
Apparent
, wobei der Löwenanteil der Setlist
aus "Graceful inheritance"-Material bestand. Terry spielte
Gitarre für zwei und gab alles. Zwar war ihm seine
Nervosität anzumerken, aber allmählich lockerte er auf
- wie der Sänger auch, dessen Mikro ihm in der Hand
zitterte. "Tear down the walls", "The servant",
"Masters of invasion", "Dragon's lair", "Keeper of the
reign" - wer kennt und liebt sie nicht? Vom zweiten
Album gab es noch das schöne "Decorated", auch das
Priest-Cover "Disturbing the priest" war mehr als
gelungen. Für mich waren das furiose Instrumental
"R.I.P." und "Entrance/Another candle" die Highlights
des Konzerts, dass man leider ohne Zugabe ausgehen
liess. Also kein "A.N.D. Drogro lived on", so schade
es auch war!
Was dann noch folgte, war ein Treffen mit Freunden,
Bier und die letzten zwei Wacken-Konzerterlebnisse:
Rose Tattoo und Twisted Sister (anstatt von Thin
Lizzy
). Beim Auftritt von Angry Anderson (bester
Spruch: "The rich get richer, the poor have always
been that way.") und seinen Mannen war gute Laune
angesagt und die reichlich anwesenden Biker rasteten -
schön angetrunken und dementsprechend gut drauf - voll
aus. "Nice boys don't play rock 'n' roll", eben (they
sing R&B, is what they do)! Nach dem Gig (Angry wurde
mal wieder von zwei Leuten von der Bühne getragen) sah
ich mitten im Publikum zwei Freaks auf den Knien, Arme
gen Mekka, betend: "Rose Tattoo! Rose Tattoo!"
Der für mich letzte Spass des Festivals sollte
überraschenderweise einer der Killergigs in Wacken
werden: Drummer A.J. Pero und Entertainer-de-Luxe Dee
Snider gaben (ohne Gitarristentandem Jay Jay
French/Eddie Ojeda und Bassist Mark "The Animal"
Mendoza) Rendez-Vous auf der gigantischen Hauptbühne,
die noch zu wachsen schien als Twisted Sister sie
betraten. Es gab für tausende und tausende Leute -
TS-Fan oder nicht - kein Zurück mehr bei den ersten
Takten dieser legendären Band: obwohl sie seit einem
Jahr nicht mehr zusammen gespielt hatten und erst vor
wenigen Tagen die Anfrage erhielten, den geplatzten
Thin Lizzy-Gig zu ersetzen, donnerten Twisted Fuckin'
Sister in die Wackener Samstagnacht hinein wie eine
geölte Maschine. Vorwärts, vorwärts! "Stay hungry",
"We're not gonna take it" (Hell no!), "Tear it loose"
(Hell yes!), "Under the blade", der ulkige
Sixties-Schlager "Leader of the pack", das
Stones-Cover "It's only rock 'n' roll" - der Anlass
zur Totalfeier war da und es wurde gefeiert was das
Zeug hielt. Die Tatsache, dass es sich hier um eine
einmalige und dazu noch impromptu organisierte Show
(dieses Wort kann man beim Phänomen Dee Snider getrost
GROSS schreiben) handelte, verstärkte den
Enthousiasmus bei der Band und die Euphorie auf dem
Gelände nur. Um es in den wiederholt unkeuschen Worten
des Herrn Snider selbst zu sagen: Wacken, it was
fuckin' awesome! Thank you!

Sonntag 6. August: Dead by dawn

Morgengrauen. Aufbrechen, einpacken, so tun alsob man
gaaaanz nüchtern und ausgeschlafen ist. Die Hälfte der
Stimme fehlt; macht nichts, reden ist ohnehin zuviel
Mühe. Taxi nach Itzehoe, weil man nicht auf den
Shuttlebus warten möchte. Warten, trotzdem, auf den
Zug in Richtung Hamburg Hauptbahnhof, der erst in
einer Stunde fährt. Und langsam kapiert man: es ist
ein früher Sonntagmorgen im August. Das Leben geht
weiter.

Greetings to Michael, Boris und Kerstin, Marco,
Steffi, Ernst. Metal on!


(c)2000, Oliver Kerkdijk