Ten / BobCatley
Offenbach, Hafenbahn
5. Mai 2001
Zwei der stärksten Melodic Rock-Acts unserer Tage auf Tour, wer
möchte das schon versäumen? Hatte ich im Vorfeld zumindest gedacht,
und so war ich denn schon etwas erstaunt, daß die Hafenbahn längst
nicht so voll wurde wie etwa neulich zum Thrash-Inferno mit Annihilator und
Nevermore. AOR ist dieser Tage anscheinend wirklich tiefster Underground.
Was soll's, auch so hatte sich zum Auftritt von ex-Magnum-Sangesgott
Bob Catley die Halle ganz ordentlich gefüllt. Der kleine Engländer
betrat die Bühne gegen halb neun mit dem kultigen Hut vom "Middle
Earth"-Backcover und konzentrierte sich denn mit dem mächtigen
Opening-Duo "Return Of The Mountain King"/"City Walls" auch zunächst
auf selbiges Meisterwerk und wurde dafür mächtig abgefeiert, bevor
dann mit "The Pain" oder dem "The Tower"-Hitgespann "Dreams"/"Scream" auch
älteres Material zum Zuge kam. Dabei zeigte sich Bob durchgehend bestens
bei Stimme und ließ sich anmerken, wieviel Spaß ihm das Ganze
machte. Das begeisterte Publikum, das zu einem großen Teil wohl wegen
ihm den Weg in die Hafenbahn gefunden hatte (die Magnum-Shirts dominierten
die Halle), dankte es ihm mit einer Bombenstimmung, die selbstverfreilich
ihren Höhepunkt annahm, als der Meister ein paar alte Magnum-Classix
auspackte, u.a. "Start Talking Love" vom "Wings Of Heaven"-Meilenstein und
natürlich den ewigen Gänsehautgaranten "On A Storyteller's Night".
Sogar das auf Platte unerträglich totproduzierte "Vigilante"-Material,
vertreten durch "Lonely Night" und den Titelsong, wirkte live um einiges
aufregender - trotzdem hätte ich ein paar der ganz frühen Hämmer
entschieden bevorzugt. Aber auch so wurde der Tolkien-Verehrer frenetisch
bejubelt, als er mit der folkigen "Middle Earth"-Abschiedshymne "The Fellowship"
und dem Magnum-Göttersong "Days Of No Trust" seinen Set beendete. Und
das zu Recht!
Da war es für die etwas heftiger rockenden Ten wenig später
kein Leichtes, an diese Leistung würdig anzuschließen; geschafft
haben sie's aber im wesentlichen schon. OK, die keltische Überhymne
"We Rule The Night" konnte nicht wirklich die Magie der Studioversion entfachen
(und ich hatte insgeheim schon mit einem Gastauftritt von Mr. Catley, der
bekanntlich im Original vokaltechnisch mitmischte, gerechnet...) und der
Sound konnte anfangs nicht wirklich überzeugen, aber das sind
Nebensächlichkeiten. Denn mit sovielen Hits im Gepäck konnten die
Briten um Songwriting-Genie Gary Hughes wahrscheinlich gar nicht verlieren.
Im wesentlichen konzentrierte man sich auf Songs der letzten zwei Alben,
"Spellbound" und "Babylon", ohne allerdings die älteren Scheiben zu
vergessen. Das war auch gut so, denn gerade "The Name Of The Rose" vom
gleichnamigen Album, das als leider einzige Zugabe dargeboten wurde, war
einer der Stimmungshöhepunkte in einem erstaunlich harten Set,
das mit dem "Babylon"-Tränentreiber "Silent Rain" nur eine einzige
waschechte Ballade beinhaltete. Im Gegenzug dazu gab's die härteren
Rocker gleich im Dutzend: "Fear The Force", "Bright On The Blade", der Ohrwurm
"The Stranger", das epische "The Robe" und noch viel mehr, von einer perfekt
aufeinander eingespielten Truppe begeisternd zum Vortrag gebracht. Hätte
deswegen auch locker ein Tausender-Publikum verdient gehabt, aber diese Zeiten
scheinen wirklich vorbei zu sein. Schade eigentlich.
(c)2001, Ernst Zeisberger
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