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Progpower 1999; 013, Tilburg, Niederlande.

Symmetry/Lemur Voice/Pain of Salvation und Andere.

Das erste europäische Festival für Progressive (Power) Metal im 013-Club im
holländischen Tilburg wurde schon im Vorfeld durch Finanz- und
Billing-Probleme geplagt. Etliche Bands sagten aus unterschiedlichen
Gründen ab (darunter Fates Warning, Payne's Gray, Harrow) und es war mir
schon auf dem Hinweg klar, dass das Billing eine Überraschung sein wurde.
Gespannt war ich auf die Zuschauerresponz: stand uns ein ähnliches Debakel
bevor wie Keith "Continuing the impossible" Menser beim Powermad?
Es kam nicht so schlimm wie ich es mir gedacht hatte; zehn Bands aus
verschiedenen Ländern spielten locker drauf los, es herrschte eine
freundliche Atmosphäre (erwartet man ja auch bei diesem Genre ohne
Hooligan-Wear und schräge Satan-Kiddies) und den ganzen Sonntag über wurde
ich das Gefühl nicht los, dies ist erst der Anfang einer schönen Freundschaft.
Schade war mal wieder dass nicht mehr Leute sich von ihren
Fernsehsesseln/Sofas erhoben hatten um ein kleines Dutzend Bands der wohl
antikommerziellsten Musikrichtung überhaupt zu supporten. Dafür hatten sich
die meisten sogenannten "Metalfans" am Donnerstag vorher in Zwolle aber
Dream Theater angesehen. Und die Massen (die gibt's im Metal auch; macht
euch bloss nichts vor) bekamen von DT ironischerweise was sie verdienten:
ein mittelmässiges, statisches Konzert unter akustisch bedenklichsten
Bedingungen. (Hab schon in den Achtzigern Helstar, Testament und andere in
der Ijsselhalle - Ijsselhölle - auftreten sehen, ich muss es also wissen.)
Ein paar tausend (...) Leute legten sich dort ein oder zwei Shirts à Fl.
45,- zu und fuhren nach Hause. Für dieselben Fl. 45,- konnte man sich in
Tilburg einen ganzen Tag Bands ansehen die man sonst nicht oder nur selten
zu Gesicht bekommt. Zudem gab es im grossen 013-Saal astreine
Soundverhältnisse (der winzig kleine Saal glich eher meinem Wohnzimmer),
die auch von den Bands benutzt wurden.
Mein Eindruck des Progpower-Festivals 1999 ist eindeutig: klasse Bands ohne
Ende, nur kein Medieninteresse (man dreht dafür in den Niederländen fast
jede Woche einen Scheissdokumentarfilm über diesen DJ oder jenen
Alternative Schrott; f*ck all of you media rats) und fast keine Promotion.
Das Internet reicht einfach (noch) nicht um Festivals wie dieses in die
Welt hinaus zu tragen. Kleines Manko war auch dass sich die Auftritte in
den zwei Sälen abwechselten, das heisst Band eins öffnete den Tag im
kleinen Saal, dann wurde dort umgebaut und man sputete sich zum grossen
Saal, wo Band Nummer zwei loslegte. Dann wurde dort umgebaut und flux ging
es zum kleinen Saal. Undsoweiterundsofort. Da manche Anfangszeit überzogen
wurde, verpasste man entweder die ersten zwei Songs der nachfolgenden Band
oder man musste vorzeitlich das noch laufende Konzert verlassen. Vielleicht
könnte man das (hoffentlich doch?) nächste Mal zwei Gruppen weniger aufs
Billing packen und dafür einige Verschnaufpausen fürs Publikum kreieren.
Denn durch diesen straffen Zeitplan hatte man durchs einmalige "Progpower
only"-Angebot fast keine Gelegenheit sich mit Leuten (seien es Mitbesucher
oder Musiker) zu unterhalten; viele Musiker sahen sich auch den Shows ihrer
Kollegen an.
Die Highlights des Tages hiessen für mich ohne Frage Symmetry, Lemur Voice
und Pain of Salvation. Von diesen drei Bands hatten die Coming Heroes aus
dem Osten Hollands (Twente rules!) Symmetry leider die schlechtere Karte
des kleinen Saals gezogen. Trotzdem (oder gerade deswegen) legten sie einen
sauberen Gig auf die Bretter, bei dem man sechs neue Songs vom Anfang
nächsten Jahres über Zizania erscheinenden Debüt spielte. Was man da mit
zwei Gitarreros und OHNE keys vom Stapel liess war schlicht und einfach
Metal, sprich: anstatt eines endlos dahinplätschernden
Synth-/Keyboard-Progs gab es Riffs en Masse. Sänger Erik Masselink und
seine Band sind auch live einfach intensiv! Vor allem die neuen Kracher
"Raging planet" und "Slave" (Text basiert auf die HELLRAISER-Filmen)
knallten ordentlich rein. Als krönender Abschluss dieses viel zu kurzen
Gigs gingen Symmetry noch mal voll auf die zwölf mit dem Riffmonster
"Frozen" von der selbstfinanzierten Mini "To divinity". Yeah, that's what I
call metal.
Zur Zeit machen die Herren zusammen mit ihren Brüdern von Re-Vision und
Sore Plexus (mit neuem Sänger) einige Clubs in den Niederländen und
Deutschland unsicher. Dates: 27/11/99 - The Just, Witten (D), 4/12/99 -
Metropool, Hengelo (NL) und 18/12/99 - JUZ, Bramsche (D). Support quality;
be there.
Die ebenfalls niederländische Truppe Lemur Voice hatte ich schon mal live
erlebt; im Amsterdamer Club Paradiso sprangen sie vor anderthalb Jahren
kurzfristig für Rough Silk ein als Support auf der damaligen Dio-Tour.
Trotz beschissener Sound und offensichtliche musikalische Unterschiede zu
Dio war es deutlich dass diese Jungs keine Eintagsfliege waren. Schon der
astreine Gesang von Gregoor van der Loo und das traumhaft sichere
Gitarrenspiel von Marcel Coenen kann man einfach nicht ignorieren
(natürlich macht das die Maffia der Mainstreammusikpresse Jahr für
Jahr...). Auf Progpower '99 lag das Hauptaugenmerk aufs neue Material der
"Divided"-CD; man stieg ein mit einer energischen Version von "Solilocide",
und auch das überlange "Childhood facade" wurde live gekonnt gebracht.
Glücklicherweise blieb der Wacko Jacko-Cover "Beat it" (von "Divided")
aussen vor (wenn's auf die Musik ankommt habe ich leider wenig Humor) und
hatte man mit "Memory lane" noch eins der besten Stücke der genialen aber
leider völlig untergegangenen "Insights"-CD im Programm. Eine Band wie
Lemur Voice hat, wie Symmetry auch, so viel musikalische Klasse, dass sie
wohl auf immer und ewig Underground sein wird. Übrigens sollten Symmetry,
Lemur Voice und The Gathering mal über eine Zusammenarbeit beim Touren
nachdenken; würde durchaus Sinn machen.
Später am Abend war der Grosse Saal des Clubs mehr als ordentlich gefüllt
(sehr erfreulich) als die Amerikaner von Pain of Salvation die Bühne
enterten. Es war ein reines Vergnügen für Band und Zuschauer; die
merkwürdige und musikalisch sehr vom Üblichen abweichende Truppe um
Aushängeschild Daniel Gildenlöw zeigte allen die es vielleicht noch nicht
wussten, dass Progressive Metal mitnichten so etwas ist als
Seventies-Gedudel von Konservatoriumstudenten im permanenten
Anachronismus-Metalgewand. Alles was Dream Theater am Donnerstagabend zuvor
NICHT waren, waren P.o.S. an diesem Progsonntag: agil, originell, spannend,
ergreifend, spontan und bestens gelaunt. Und das trotz der Tatsache dass
ihnen am Abend zuvor den Tourbus ausgeraubt und sämtliches Merchandise
geklaut worden war. Gildenlöw nam's gelassen: "If you see a guy selling our
t-shirts, please let us know."
Die restlichen Auftritte waren mehr (Mayadome; trotz absurder Lautstärke im
kleinen Saal) oder weniger (Evergrey; passten nicht so recht ins Programm)
gelungen, die Bier- bzw. Cola-Preise waren mehr als korrekt gehalten (ist
ja in letzter Zeit eher die Ausnahme), es gab CDs und Merchandise zu
erwerben und das Ganze lief äusserst relaxt ab. Man fragt sich nur,
wieviele Leute kommen würden wenn es eine bessere PR gäbe oder/und wenn die
Amis vom Powermad, die Progpower-Leute und einige Plattenlabels mal etwas
zusammen auf die Beine stellen könnten. Mal ehrlich: wer kann es sich schon
finanziell leisten, nach Baltimore zu fliegen um sich Top-Acts wie Ion
Vein, Foreseen, Lethal (!!!) oder Sacred Oath anzusehen?
Um auch hier in der alten Welt dazu noch die etwas breitere Masse zu ziehen
wäre ein echter Headliner (wie z.B. Kamelot, Lethal, Power of Omens, Shadow
Gallery, Leviathan) sicherlich keine schlechte Idee. Zusammenarbeit ist in
diesem marginalen Musiksektor gefragt, denn ohne Sponsoring, ohne Werbung
in Metalgazetten wie Heavy, oder Was!?, Rock Hard und Aardschok, und ohne
Unterstützung einiger Labels ist es schwierig, ein solches Unternehmen ohne
Pleite-Risiko durchzuziehen.
Und zum Schluss sei mir noch die Bemerkung erlaubt dass ohne ZAHLENDE
Besucher, also ohne euch (!), es mit Progpower 2000 nicht klappen wird.
Tot ziens in 2000?

(c) 1999, Oliver Kerkdijk