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Doom over Nürnberg II

1.11.2006, Z-Bau

 

REVEREND BIZARRE

THE GATES OF SLUMBER

CENTURIONS GHOST

BIBLE OF THE DEVIL

DOOMRAISER

 

Pünktlich zum Totengedenktag Allerheiligen fanden sich Reverend Bizarre zu ihrer eigenen Begräbnistour im Nürnberger Z-Bau ein. Die Trauergesellschaft bestand aus knapp 250 Gästen, die von den Sargträgern DOOMRAISER, BIBLE OF THE DEVIL, CENTURION’S GHOST und THE GATES OF SLUMBER auf den moribunden Headliner eingestimmt wurden. Ein durchweg klarer, druckvoller Sound und spottbillige Bierpreise trugen zum würdigen Rahmen der Feier bei.

 Der Nekrolog wird von DOOMRAISER standesgemäß mit einer dröhnenden Feedbackorgie eingeleitet. Der Opener der brandneuen Platte, das fett groovende „The Age of Christ“, sorgt für die ersten fliegenden Haare im Publikum und Bassist BJ mit energischer Performance für wohlwollendes Nicken. Auch das folgende, sensibel betitelte, „Doomalcoholocaust“ hält den Energiepegel im grünen Bereich. Überhaupt kommen die fünf Italiener trotz ihres auf Dauer recht monotonen Stoffs erstaunlich gut beim Publikum an. Nachdem schon am Ende des Gigs einer der Gitarristen alkoholbedingt einen unfreiwilligen Abgang vom Bühnenrand hinlegt, machen die Burschen auch nach der Show ihrem Motto „Drunken Doom“ alle Ehre und torkeln den Rest des Abends sturztrunken durch die Pampa.

 BIBLE OF THE DEVIL aus Chicago waren kurzfristig noch ins Billing gerutscht. Ihr High-Energy-Bastard aus Metal und Punk stellt sich als perfekte Abwechslung zu den bleiernen Riffkaskaden der übrigen Bands heraus. Mit gleich fünf Stücken vom fantastischen neuen Album „The diabolic procession“ im Gepäck („Ecclesia Novorum Innocentia“, „Sepulchre“, „Orphans of Doom“, „Millenialism“, „Legions of the Oriflamme“), zieht die toll aufspielende Band das anfangs etwas skeptische Publikum bis zum Ende ihres Sets voll auf ihre Seite. Als besonderer Knaller folgt zum Schluss eine umjubelte Coverversion von „Angel Witch“. Der Lohn für den begeisternden Auftritt sind 200 Euro an verkauftem Merchandise und etliche neue Fans. Vielleicht können Bible of the Devil mit dieser Tour endlich auch in Europa Fuß fassen. Verdient hätten sie es.

 Zu CENTURION’S GHOST möchte ich nur wenig sagen, da ich mit dem Material der Band nicht genügend vertraut bin. Harte Celtic Frost-Riffs treffen auf Hardcore Shouting, durchaus kompetent dargeboten, aber dennoch irgendwie unspektakulär. Das Publikum honoriert die souveräne Leistung dennoch mit mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Ein Achtungserfolg für die Briten war’s in jedem Fall.

 Was dann folgt, ist eine völlig andere Liga. THE GATES OF SLUMBER zementieren ihre internationale Spitzenstellung in der Szene mit einer solch brachialen und tighten Soundwand, dass alles zu spät ist. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine derartige Walze gehört habe, wie sie die drei Schwergewichte aus Indianapolis auffahren. Von so einer archaischen Heaviness können 99 % all dieser modernen, ach so harten Brüllaffen-Kombos  noch nicht mal träumen.

Los geht’s mit dem flotten „Angel of Death“, dem Opener der überragenden neuen Platte „Suffer no guilt“. Das Publikum frisst Fronter Karl Simon, der jede einzelne Note zu durchleiden scheint, sofort aus der Hand. Das Titelstück „Suffer no guilt“ folgt auf dem Fuß. Die kriechende Intensität, die dieser rohe Koloss live entfaltet, ist schier unbeschreiblich. Die pure Macht. Bei „The Jury“ zeigt Neu-Drummer Bob Fouts zum ersten Mal, was er drauf hat, bevor „Riders of Doom“ den Epic Hammer kreisen lässt. Unglaublich intensiv auch hier das Zusammenspiel des Trios und die fantastische, leidenschaftliche Performance des gefährlich drein blickenden Sängers. Mit „Broken on the Wheel“ überrollen THE GATES OF SLUMBER das Publikum förmlich, bevor mit der besten Coverversion eines Manilla Road-Stückes, die ich je gehört habe, das Ende des Sets eingeläutet wird. „The Riddle Master“ lässt in einer ultra-heftigen Version das Publikum endgültig austicken. Der finale Gnadenschuss folgt mit „Iron Hammer“.

Leider kann die Band den lauten (von Rev. Bizarres Peter Vicar höchstselbst angestimmten) Zugaberufen nicht entsprechen, da aufgrund des kurzfristigen Drummerwechsels keine Zeit mehr bestand, eine längere Show einzuplanen. Dennoch ein Hammergig von einer Hammerband. Besser geht’s eigentlich nicht.

 Oder doch? Können REVEREND BIZARRE das vorhergehende Stahlbad tatsächlich noch toppen oder lassen sie sich bei ihrem eigenen Abschiedsspiel die Butter vom Brot nehmen? Mit „Cromwell“ und „In the rectory of the bizarre reverend“ erwischen die Finnen einen Einstieg nach Maß. Albert Witchfinder ist der unumstrittene Herr auf der Bühne. Die psychopathische Performance des charismatischen Frontmanns ist atemberaubend. Geifernder Zorn, erhabener Pathos und finsterste Verzweiflung. Seine markante Stimme, unterstrichen durch manische, ausdrucksstarke Mimik, hält die Children of Doom völlig im Banne. Es folgen „Doomsower“ und „Funeral Summer“. Leider wird die magische Atmosphäre durch die recht langen Pausen zwischen den Liedern, in denen Peter Vicar mit der Stimmung seiner Gitarre kämpft, ein wenig getrübt. Die Spannungen in der Band werden an den gereizten Blicken, die Albert seinem leicht alkoholisierten Gitarristen zuwirft, gerade hier recht deutlich.

Mit dem pechschwarzen „Slave of Satan“ und „Demons annoying me“, von Albert sarkastisch als „song about suicide“ angekündigt, geht’s weiter, bevor mit dem sagenhaft intensiven „Burn in hell“ ein vorläufiger Höhepunkt im Set erreicht ist. Denkste! „Doom over the world“ setzt noch einen drauf! Was für eine geile Hymne. Für mich steht das Stück sowieso auf einer Stufe mit Klassikern wie „Paranoid“ oder „Born too late“, aber auch der Rest des Publikums scheint es ähnlich zu sehen. Kollektives Ausrasten. Das Begräbnis gerät zur Party. Eigentlich hätte das der Schlusspunkt sein müssen. Der wird allerdings nach einer eigenwilligen Percussions/Beschwörungseinlage von Albert mit „Blood on Satan’s Claw“ gesetzt.

 Nachdem sich der Staub gelegt hat, bleibt die Erkenntnis, dass es das nun war, mit einer der herausragendsten Bands der letzten Jahre. The Pilgrimage of Doom is over. Sadly.

Zugleich machen aber THE GATES OF SLUMBER mit einem sagenhaften Auftritt deutlich, wer in den nächsten Jahren zur Leitinstitution in der Doom-Szene werden wird. Entgegen der zentralen Attitüde der Musik: die Zukunft scheint gesichert.

 © Manuel Trummer 2006