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Realm: Endless War

Wie oft ich zu Krachern wie "All heads will turn to the hunt", "Slay the oppressor" oder das vollkommen hysterische "This house is burning" gebangt habe kann ich heute nicht mehr sagen, aber mit dieser LP/CD aus dem Jahre 1988 haben die Techno-Thrasher Realm aus Milwaukee bei mir Kredit auf Lebenszeit. Ja, Techno-Thrash hiess dieser Stil damals, als der Metal noch progressiv UND aggressiv zugleich war: "There are no keyboards on this album" steht auf der Innenhülle der LP zu lesen - das braucht wohl keine
weitere Erklärung, oder? Es war die Zeit der Metalsturm und Tatendrang, und der Chaotenhaufen aus Milwaukee liess es dermassen krachen, dass sogar Bay Area-Thrash-Fans auf die Band aufmerksam wurden. Mitverantwortlich dafür war die ultimative Metallisierung des Beatles-Tearjerkers "Eleanor Rigby", ein auch im nächsten Jahrtausend noch unglaublich intensiver Hyperspeedster mit wahnwitzigen Gitarren und dem unverkennbaren Kreischgesang von Front-Maniac Mark Antoni. In den Niederländen wurde dieser Song sogar mehrmals im damaligen Metal-Radioshow "Vara's Vuurwerk" gespielt; etwas
dass man sich heute nicht mehr vorstellen kann.

Dass Realm bei der holländischen Company Roadrunner (bzw. der US-Dépendance Roadracer) unter Vertrag standen, garantierte ihnen zwar eine passende Distribution und die Aufmerksamkeit der Magazines und Fanzines, die Band war damit aber zugleich eine von (zu)vielen. Damals signten RR fast alles,
was irgendwie nach Underground-Metal roch (die Majors sind nicht die einzigen Trendsurfer; das muss auch mal gesagt werden) und leider Gottes erkannten sie in Realm nicht das enorme Potential, das in ihnen steckte und verpassten somit die Chance, die herausragende Truppe ihren Qualitäten nach
zu unterstützen.

Originell war ihr kompromissloser Sound, und Metal to the very bone: extreme Gitarren, Tempowechsel en masse (ohne jemals an Intensität zu verlieren), hyperschnelle Parts, Double Bass-Attacken (Drummer Mike Olson war ein ACE und fast keiner hat's mitgekriegt) und, und, und! Dazu steckten die Kompositionen voller Abenteuer und hatten bei aller Brachialität immer Killer-Melodien aufzuweisen (das spannende "Eminence" bleibt eine meiner Lieblingstracks). Realm waren Götter, die es selber nicht wussten. Ihre Korrespondenz pflegten sie schon damals nicht (ich muss es wissen; hab's
mehrmals versucht) und anscheinend konnten sie sich nicht so recht entscheiden, ob sie jetzt nur Spass haben oder Profi sein wollten.

Erst zwei Jahre nach dem Meilenstein "Endless war" meldeten sich Realm mit "Suiciety" zurück. Die Platte (in derselben Besetzung eingespielt) bietet erstklassiges Material, sprich: Metal, ohne den geringsten Hauch von Kompromiss oder Kommerzverdacht. Rasende Power-Thrasher wie "Energetic discontent" oder "The brainchild" stehen neben epischen Tracks à la "Gateway" und "La Flamme's theory" (Klasse-Titel!). Und mehr Metal als "Knee deep in blood" geht es nicht - ein träger Stampfer mit Weltklasse-Riff! Die Produktion, besser gesagt der Mix nimmt der Scheibe leider vieles an Power (härtemässig kommt so das ganze bei weitem nicht an"Endless war" heran), aber der heroische Gitarren-Tandem Paul
Laganowski/Takis Kinis liefert hier schlichtweg Zauberei.

Wer genau wissen will, wie es denn nach "Suiciety" (prophetischer Albumtitel, sowohl für Realm als Musikindustrie 1990 A.D....) mit der Band ausging, sollte sich That's it! Nr. 12 krallen. Auf Seite 20 erläutern Arno "Zero Tolerance" Hofmann und "Gesprächspartner" (na ja, lest selbst...) Paul
Laganowski - ex-Realm-Axeman - die ganze triste Historie.

Die CD-Fassung von "Endless war" glänzt mit "Theseus and the Minotaur" als Bonustrack, das mich mit seinen Rasierklingen-Riffs und mörderischen Breaks noch immer in den Wahnsinn treiben kann. Das Cover der LP, gemalt von einer gewissen Chi Choni (kennt jemand noch andere Sachen von ihr?), ist einer
meiner All-Time Faves: Ein trojanisches Pferd aus Metall, noch in der Schmiede, umgeben von Rauchschwaden und Feuer. Von diesem Bild geht eine zeitlose Kraft aus und es passt somit perfekt zu der intensiven Musik dieser einzigartigen Band.

Zu den Texten nur soviel:
"The battle is over, we've won the war
By evil no longer abide
Remember the Lamb, the Life Covenant
As you're strapping a sword to your side
Slay the oppressor
We must stand against the Legions of Hell"
Alles klar?

Ein letzter nostalgischer Blick auf die Innenhülle der LP erzählt mir ohne Worte, dass es eine Band wie Realm nie mehr geben wird: Die Foto-Collage zeigt fünf hungrige Metalheads in Jeans, T-Shirts und Turnschuhen, fest entschlossen (oder gerade dabei) um alles und alle in Grund und Boden zu thrashen. Nicht als Gimmick oder als Retro-Act, sondern weil es einfach in ihnen steckte. Realm were metal. Der Metal ist ärmer ohne sie.

(c) 1999, Oliver Kerkdijk