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Andre Matos : Time To Be Free

Ich wünschte, ich könnte noch ernsthaft behaupten, daß die eher verhaltene Rezeption der Fachpresse auf dieses Album mich verwundern würde. Aber leider war Brasiliens Metalsänger Nr.1 in bundesdeutschen Reviewstätten seit eh und je sträflich unterbewertet, so daß sich bereits für seine letzte Band Shaman nicht mehr als ein kleines Häuflein Getreuer interessierten. Das ist schade, denn die Lage für die melodischere Sparte des HM ist im Moment eh desaströs, wenn man mal betrachtet, was für Belanglosigkeiten einem da aktuell als Offenbarung verkauft werden sollen. Was soll man da schon von einem Alleingang ("Solo-Album des ex-Angra-Sängers? Haaaach, wer's braucht...") erwarten?

Stilistisch wilde Ausflüge über alle Genregrenzen nach Manier des Virgo-Projektes mit Sascha Paeth (der "Time To Be Free" immerhin zusammen mit Dickinson/Halford-Intimus Roy Z. produzieren durfte) jedenfalls nicht. Das hier ist einwandfrei Metal, der sogar eher noch an Andres frühe Angra-Meisterwerke anknüpft als die etwas härtere Shaman-Linie fortzuführen, wozu es auch ganz hervorragend paßt, daß der Mikromeister verstärkt die ganz hohen Enden seines Stimmspektrums wiederentdeckt hat. So gibt es nach dem traditionellen, kurzen Klassikintro mit dem Opener "Letting Go" gleich so eine Nummer, die so ziemlich alles an die Wand bläst, was der Mann seit "Holy Land"-Zeiten aufgenommen hat. Hier fehlt zur damaligen Größe wirklich nur noch die völlig wahnwitzige Gitarrenarbeit des damaligen Duos Bittencourt/Loureiro. Obwohl auch hier die Instrumentalfraktion nicht von schlechten Eltern ist - u.a. sind die Mariutti-Brüder wieder mit an Bord, und in den Credits findet man sogar hie und da den ollen Viper-Recken Pit Passarell wieder! - aber daß sich bei einem Soloalbum die Gewichtung etwas zugunsten des Gefeaturten verschiebt, wird wohl kaum erstaunen, oder?

Auch sonst ist eigentlich alles in Butter: "Rio" oder "Rescue" zeigen dann doch noch ein wenig von der zuletzt gepflegten, härteren Seite des Meisters, "How Long (Unleashed Away)" ist ein Ohrwurm in alter Helloween-Tradition, der Titeltrack nur eines von mehreren vollendeten Melodic-Metal-Epen für die Ewigkeit - und schließlich spendiert uns Andre mit "A New Moonlight" noch ein gelungenes, wenn auch vielleicht überflüssiges (das Original war schließlich ziemlich perfekt) Remake des fast gleichnamigen "Theatre Of Fate"-Klassikers. Gänsehautalarm!

Gewöhnungsbedürftig ist hingegen die Produktion. Ob die zumindest teilweise Erneuerung des Sounds durch diesen typischen Roy Z.-Stil wirklich nötig gewesen wäre, wage ich mal zu bezweifeln. Der Mann ist in der Regel klasse - diesen Sound aber hat Paeth meistens besser drauf. Naja, Schönheitsfehler halt. Abgesehen davon braucht das hier jeder Fan des Mannes aus Brasilien. Metal with class.

 

(c)2008, Ernst Zeisberger