"You're trapped!"
Der Opener "Enter Dystopia" zeigt dem Hörer gleich, was ihm für das
inzwischen fünfte Album der Gundelsheimer bevorsteht. Man ist sofort wieder
gefangen in Lanfears Welt und die wieder mal viel zu langen drei Jahre, die seit
dem letzten Werk vergangen sind, sind spätestens beim ersten Gitarrensolo von
Markus Ulrich vergessen. In den letzten Jahren war die Band alles andere als
untätig und präsentiert mit Nuno Miguel de Barros Fernandes nicht nur einen
neuen Mann am Mikro sondern auch eine leichte Stilkorrektur. Lag "Another Gold
Rage" oberflächlich noch auf dem ähnlichen stilistischen Weg des überragenden
Vor-Vorgänger "The Art Effect" (ohne jedoch dessen Langzeitwirkung zu
entfalten), so liegt die Sache bei vorliegendem Rundling wieder geringfügig
anders. Auf den ersten Hör ist man so eingängig wie nie zuvor, einige Tracks
entfalten gar ein bisher ungeahntes kommerzielles Potential und sämtliche
Refrains sind einfach nur fantastisch. Nach einigen Hördurchgängen mehr merkt
man erst, mit wie vielen doppelten Böden Hauptsongwriter Ulle gearbeitet hat, um
dieses Mal wirklich alles richtig zu machen. Unzählige Details, überraschend
Songwendungen, metallische Grundhärte, immer wieder diese latent melancholische
Ausrichtung und ein wie die Faust aufs Auge passender neuen Shouter sind Garant
für ein abermals überragendes Melodic-Feuerwerk, welches schon jetzt enorme
Langzeitwirkung verspricht.
Ein paar Beispiele für die kreative Hochphase der Band: "My Will Be Done"
beginnt als reinrassiger Power Metal-Stampfer, Refrain und Vocalmelodien sind
dann fast schon AOR verdächtig. "Brave New Men" ist schon bei den
Strophenmelodien Gott, die Bridge und der Chorus setzt dem Ganzen dann noch die
Krone auf. Dann folgt ab 2:53 eine eigentlich supersimple Keyboard-Melodie, die
mir aber seit dem ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf geht. Gesanglich ist Herr
Fernandes auch hier ein absoluter Gewinn. Dann folgt "The Question Keeper",
dessen Breitwand-Refrain auch von Threshold stammen könnte. Gigantisch auch "A
Twin Phenomenon", welches die Lanfear-Definition von Progressive-Metal darstellt
- verschachtelt, hoch-komplex, aber niemals verkopft.
Auf diesem Niveau bewegt sich das gesamte Album - sämtliche Songs zünden
eigentlich schon beim ersten Mal, aber auch beim zwanzigsten Abspielen des
Silberlings entdeckt man eine neue Feinheit, die man zuvor noch nicht bemerkt
hat. So sollte Musik eigentlich sein.
(c)2008, Michael Kohsiek