Einer muss die Fahne des Heavy Metal teutonischer Prägung ja hochhalten. In den letzten Jahren musste das leider der unverwüstliche Udo im Alleingang durchziehen, und auch bei dem ließen sich aufgrund der ständigen Präsenz Abnutzungserscheinungen nicht leugnen. Rock'n'Rolf? Der einzige Pirat, der mir nach dessen jüngsten Karnevalsaktionen zu dem noch in den Sinn kommt, ist die von Robert De Niro in "Stardust" porträtierte Mega-Tucke. Und auch bei Grave Digger ist es länger her, dass man eine Platte wirklich in der Sammlung stehen haben musste.
Zumindest letzteres hat sich mit "Ballads Of A Hangman" geändert, denn mehr noch, als es die vergleichsweise zahme Singleauskopplung "Pray" vermuten liess, ist Chris Boltendahl und seiner zum Sextett erweiterten Truppe (mit Thilo Herrmann an der Gitarre ist neben Bassist Jens Becker der zweite ex-Running Wild-Mucker im Gefolge des Sensenmannes gelandet!) ein Volltreffer an allen Fronten geglückt. Das hier ist die reine Lehre, wie sie von dieser Band schon auf Alben wie "The Reaper" oder "The Grave Digger" zelebriert worden ist. Wenn auch vielleicht nicht hundertprozentig so zerstörerisch wie auf erstgenanntem Klassiker, so dominieren doch die flotten Brecher nach Manier des tollen Titeltracks oder des absolut kompromisslosen "Into The War". Allesamt natürlich gekrönt von diesen herrlich stumpfen Chorussen, die man auch beim ersten Hören schon ohne Probleme mitshouten kann. So muss das sein.
Dürftiger ist mal wieder die Ballade, diesmal "Lonely The Innocence Dies" betitelt und mit Gastvocals von Benedictums Veronica Freeman versehen. Aber die Scorpions waren Grave Digger noch nie, und das werden sie wohl auch nicht mehr werden. Skipkandidat. Ganz schnell decken wir den Mantel des Schweigens auch über eine weitere völlig überflüssige Coverversion, nämlich den Thin Lizzy-Gassenhauer "Jailbreak". Lass mal lieber - Phil selig war dann doch 'ne andere Liga.
Anyway, das Fazit in Kürze: beste Grave Digger seit (mal mindestens) "The Grave Digger". Solltet Ihr nicht gerade wegen irgendwelchen Mittelalter-Konzepten oder ähnlichem Schnickschnack zur Band gefunden haben (diese sind nämlich glücklicherweise, öhm, Geschichte!), gibt es eigentlich keinen Grund, nicht mal bei Onkel Reapers neuestem Klassestreich reinzuhören.
(c)2009, Ernst Zeisberger