Ross The Boss
Reverend Bizarre – Von Ende und Neubeginn
Es sind noch circa drei Stunden bis REVEREND
BIZARRE mit „Blood on Satan’s Claw“ und einer bitterbösen Coverversion von
BEHERITS „The Gate of Nanna“ zum vorletzten Mal überhaupt eine deutsche Bühne
verlassen. Nur die Besten sterben eben jung. Im Backstagebereich des Nürnberger
Z-Bau sitzen mir Peter Vicar und der Earl of Void gegenüber und schildern, wie
es soweit kommen konnte…
Die erste Frage betrifft natürlich Eure
aktuelle Tournee. Wie läuft’s denn soweit?
Peter Vicar:
Zum Teil ist es sehr chaotisch, teils macht es aber auch riesigen Spaß. Es gibt
Unmengen guter Geschichten zu erzählen, die allerdings nicht alle druckreif
sind. Zum Beispiel, als sich gestern in Salzburg diese Black Metal Kiddies
blutig schnitten. Überall in dem Laden war zerbrochenes Glas…
Void:
Und bei einem Konzert, in Itzehoe bei Hamburg, hat die Polizei unsere Show
beendet.
Warum das denn?
P: Wir waren wohl zu laut! Es war Montagnacht und ich schätze, die Leute
wollten einfach schlafen, während wir unseren Set spielten – normalerweise
spielen wir bis circa 12 Uhr oder 1 Uhr nachts. Aber andererseits war es auch
irgendwie nett, dass die Polizei unsere Show stoppte. Auf alle Fälle ein gutes
Ende für einen Gig! Wir haben es sogar auf Video! [auf deutsch] Deutsche
Polizei, dankeschön!
Für Euch ist diese Tour zugleich Eure
Abschiedsrunde. Dabei hatte ich doch gehofft, Euch eines Tages beim Grand Prix
d’Eurovision zu sehen…
P: Ich denke, ein Monster aus Finnland, das dort mitmacht, ist mehr als
genug. Wir werden am Ende des Jahres unsere letzte Show spielen. Danach nehmen
wir eine weitere Platte auf und das war’s dann für immer. Wir werden allerdings
auch hinterher noch an anderen musikalischen Projekten arbeiten. Es wird also
nicht das Ende der Welt sein.
Wenn Ihre von heute aus auf Euer erstes Album
„In the rectory of the bizarre reverend“ zurückblickt, was denkt Ihr darüber?
P: Ich bin eigentlich derjenige von uns dreien, der all unsere Platten
sehr gerne mag. Die beiden anderen Typen stehen immer allem, was wir machen,
sehr kritisch gegenüber, aber ich halte „In the rectory…“ für einen Klassiker.
Es ist eine Platte, die ich mir nach all dieser Zeit noch immer mit sehr gutem
Gefühl anhören kann. Auch wenn wir auf unseren anderen Veröffentlichungen
natürlich auch keine Filler verbraten, denke ich, dass „In the rectory…“ unser
bestes Album ist.
„Crush the Insects“, Eure zweite Platte, kam
dank Metal Supremacy kürzlich als Re-Release zu Vinylehren. Wieso habt ihr nicht
zuerst Euer erstes Album „In the rectory…“ wiederveröffentlicht, zumal es Deiner
Meinung nach sogar Euer bestes ist?
V: Der Grund dafür sind Copyright-Probleme. Als wir unseren ersten Deal
mit Masterworks Records, einem finnischen Power Metal-Label, unterzeichneten,
wurden wir total über den Tisch gezogen. Sie haben unsere Platten nicht
verkauft, sie haben versucht, unsere Plattencover zu verändern und sie sind mit
Ausnahme unseres alten Labelmanagers, der sich ebenfalls mit diesen Typen
verzoffte, generell ein Haufen Arschlöcher.
Als wir endlich bemerkten, dass dieses Label
gegen jeden einzelnen Teil unseres Vertrages verstoßen hatte, zogen wir einen
Schlussstrich und unterschrieben bei Spikefarm. Masterworks Records hatte
allerdings immer noch die Rechte an unserem ersten Album, weswegen Spikefarm die
Copyrights zuerst noch erwerben musste. Leider haben sie dabei für die weitere
Lizensierung der Platte einen sehr dummen Deal ausgehandelt, an dem auch noch
ein kleines finnisches Label namens Low Frequency beteiligt war, und so gingen
die Rechte an „In the rectory…“ letzlich nach Deutschland.
P: Low Frequency kaufte genauer gesagt die Lizensierung für „In the
rectory…“ von Masterworks Records und konnte so – ich weiß zwar immer noch
nicht, warum – die Platte nach Deutschland re-lizensieren. So kam es dazu, dass
die Rechte an Nibelung Records gingen, ein winziges Scheiß-Label aus
Deutschland. Tja, ich würde diesen Typen gerne mal treffen und so richtig
aufmischen. Er hat sämtliche Rechte für die Veröffentlichung unseres ersten
Albums in Deutschland und er ist der Grund, warum Andrea von Metal Supremacy „In
the rectory…“ nicht auf Vinyl wiederveröffentlichen konnte, worauf wir uns schon
sehr gefreut hatten.
V: Es ging darum, dass dieser Typ von Nibelung Records behauptete, die 500
Einheiten auf Vinyl würden seine Verkäufe beschädigen. Die Version auf Nibelung
besteht sowieso nur aus einer CD, deswegen haben wir über Spikefarm „In the
rectory“ als Doppel CD noch einmal veröffentlicht, so dass die Leute lieber zu
dieser Version greifen, anstatt sich die schwache Veröffentlichung auf Nibelung
Records zu kaufen.
P: Nibelung Records haben sogar ohne uns zu fragen unser Artwork
verändert, obwohl wir rechtlich die volle künstlerische Kontrolle über alle
künstlerischen Belange und die Musik in unserem Vertrag verankert haben.
Klingt, als ob Ihr aufgrund dieses ganzen
Business-Bullshits ziemlich frustriert seid. Ist das auch ein Grund für Euren
Split?
V: Nein, das hat damit nichts zu tun. Wir hatten schon immer gewisse
Probleme mit den Plattenfirmen.
P: Aber obwohl Spikefarm inzwischen schon eine Art Mainstream-Label sind,
haben sie wirklich gute Arbeit für uns geleistet. Im Grunde ließen sie uns mit
unserem Material machen, was wir wollten und wir hatten die volle Kontrolle über
die Artworks und den Rest. Sie haben unsere Platten auch fantastisch vermarktet.
V: Es hört sich zwar an wie ein Klischee, aber sie sind tatsächlich eher
unsere Freunde als…
P: …irgendwelche Business-Deppen. Wir haben wirklich großen Respekt vor
diesen Leuten.
Ich muss Euch natürlich auch zu Eurem Split
fragen. Wie kam es dazu? War es eine gemeinsame Entscheidung, die Ihr getroffen
habt, oder hat ein einzelner von Euch den Entschluss gefasst?
P: Ich denke, unser Sänger und Bassist Albert wollte andere Musik machen.
Die Band schien eine große Belastung für ihn gewesen zu sein und er hatte nicht
mehr den Spaß daran, den wir früher hatten. Ich war derjenige, der bis zum
fünften Album weitermachen wollte, aber ich denke, auch Void war schon bereit,
weiter zu ziehen und andere musikalische Pläne zu verfolgen.
Das war ja Euer ursprünglicher Plan, fünf Alben
zu machen und Euch dann aufzulösen…
V: Genau. Ursprünglich wollten wir uns im Jahr 2009 auflösen, um das 40.
Jubiläum von „Black Sabbath“ zu feiern. Bis dahin würden wir diese fünf Platten
gemacht haben und dazu noch eine Handvoll Splits. Das war übrigens auch der
Grund, warum wir „Harbinger of Metal“ als EP veröffentlicht haben, weil es nicht
als Teil dieses Fünf-Alben-Zyklus geplant war.
Eure Splits mit Ritual Steel, Orodruin und
Minotauri sind inzwischen zu begehrten Sammlerstücken avanciert. Sammelt Ihr
auch selber Vinyl?
P: Manchmal. Ich bin zwar kein Vinyl-Junkie, aber ich kaufe trotzdem fast
jede gute neue Doom Metal-Platte, die heute auf Vinyl veröffentlicht wird. Wenn
ich irgendwo über eine alte Doom-Perle stolpere, schlage ich in der Regel auch
zu. Aber ich bin nicht der Typ, der irgendwelche Manilla Road-Erstpressungen
jagt und dafür 200 Dollar ausgibt. That’s not my cup of tea.
V: Ich habe nicht das Geld dazu, mir neue Platten zu kaufen. Ich kann mir
höchstens ein paar billige D.R.I. Hardcore-Alben und ein paar gebrauchte Platten
leisten. Neue Sachen kaufe ich mir nur sehr selten. Heute zum Beispiel habe ich
mir die neue Bible of the Devil-Platte gekauft, weil die Band live so
phantastisch ist.
Peter, Du machst mit ORNE und mit LORD VICAR
weiter. Kannst du die beiden Bands ein wenig vorstellen?
P: ORNE ist eine Progressive Rock Band. Sie besteht aus sieben Musikern
und ist stark von den 70er Jahren beeinflusst. Unsere erste Platte namens „The
Conjuration by the Fire“ wird demnächst von Black Widow Records auf CD und Vinyl
veröffentlicht werden [die CD ist inzwischen erschienen, die Vinylversion
folgt in Kürze]. Ein Jahr und sechs Monate, nachdem ich das Mastering
abgeschlossen habe. Es war eine verdammt lange Wartezeit.
Was LORD VICAR angeht: Die Songs für das erste
Album sind geschrieben und im Moment stelle ich gerade das Line-Up für die Band
zusammen. Fünf der Songs sollten ursprünglich auf künftigen REVEREND BIZARRE
Veröffentlichungen stellen, weswegen zumindest hier musikalisch keine größeren
Kursänderungen zu erwarten sind. LORD VICAR steht in der Tradition von Dingen,
die bereits gemacht wurden.
Void, wie sieht’s bei Dir aus?
V: Ich werde Schlagzeug bei ORNE spielen und verfolge auch noch
verschiedene Pläne mit anderen Bands. Wie es konkret weitergeht, hängt
allerdings größtenteils von den anderen Personen ab, die bei diesen Projekten
involviert sind. Es ist im Moment einfach noch nicht genug, um mehr darüber zu
erzählen, aber wir werden sehen…
Könnt Ihr schon etwas zur Musik auf Eurer noch
unbetitelten letzten Platte sagen?
P: Yeah, im Moment kenne ich zwar noch nicht mal die Hälfte des Materials,
aber ich kann schon mit Gewissheit sagen, das die Stücke vernichtend klingen!
Das könnte tatsächlich ein richtiges Monster von Platte werden. Ich bin mir
sicher, dass wir uns für das letzte Album noch einmal die Seele aus dem Leib
spielen…
V: Für die letzte Tour natürlich auch! Wir fühlen uns im Moment irgendwie
total anders als zuvor, vor allem auch, was Alberts Probleme angeht. Es ist
ironisch, dass wir ausgerechnet jetzt, da wir aufhören, soviel Freude daran
haben, zu spielen, wie nie zuvor. Der Grund dafür ist vielleicht, dass wir
keinen Druck mehr auf uns verspüren. Wir wissen, dass dies das Ende sein wird
und können deshalb einfach unseren Spaß haben.
In Euren Texten verarbeitet Ihr sehr viele
Einflüsse von R.E. Howard, J.R.R. Tolkien und H.P. Lovecraft. Wenn man auch
Bands wie Solstice oder The Gates of Slumber betrachtet, scheinen diese
Geschichten generell ein großer Einfluss für die Doom-Szene zu sein. Was sind
die Gründe für diese Verbindung zwischen Doom Metal und Horror/Fantasy-Themen?
P: Doom Metal drehte sich schon immer um Horror-Kultur, um die Apokalypse,
das Überleben, Grausamkeit und Ähnliches. Es geht um die dunklen Aspekte des
Lebens, die „funeral aspects“, wie es CATHEDRAL auf ihrer ersten Platte genannt
haben. Du kennst sicher das Magazin „Weird Tales“. All die großartigen Autoren,
die darin ihre Geschichten veröffentlicht haben, z.B. H.P. Lovecraft oder C.A.
Smith, sind ein großer Einfluss für REVEREND BIZARRE und wahrscheinlich auch für
THE GATES OF SLUMBER. Horrorgeschichten und Horrorfilme sind im Grunde eine
endlose Inspiration für diese Art von Musik. Natürlich auch deshalb, weil es in
den Geschichten oft um Dinge wie die innere Qual von Personen, und spirituelle
Aspekte geht – Albert hat sehr viel über seine persönlichen Probleme
geschrieben.
V: Du hast Tolkien erwähnt, aber eigentlich haben wir nur einen Song, der
von Tolkien beeinflusst ist, nämlich „Cirith Ungol“, das eigentlich nur als
Huldigung an die Band CIRITH UNGOL gedacht war. Aber sogar dieses Lied, das die
Geschichte von Sam und Frodo an der Höhle von Shelob aufgreift, beinhaltet
Aspekte des absoluten Verderbens [im Original „Doom“]. Allgemein stammen die
Conan-Themen nicht aus der High Fantasy, wo es um Drachen und Lanzen und
Bildwelten geht, die von False Metal Bands benutzt werden, hahaha. Es geht
vielmehr um Rohheit. Die Geschichten sind dreckig und rau.
P: Sie drehen sich um Personen, die so stark sind, dass sie ohne weiteres
Stiernacken durchschlagen können, um Menschen, die unter den feindlichsten
Bedingungen leben. Es gibt darin allerdings auch Themen, die von der
menschlichen Vor- und Frühgeschichte beeinflusst sind, und sich um Völker
drehen, die täglich um ihr Überleben kämpfen mussten oder alternativ über
immense Macht verfügten. Gerade auch die Idee des Machtmissbrauchs war mir immer
sehr wichtig. Ich habe mich mit Menschen beschäftigt, welche die totale
Kontrolle über andere Personen hatten und diese Kontrolle missbrauchten.
Was die Conan-Geschichten angeht, zählen für
mich nur jene, die von R.E. Howard selbst verfasst wurden. Ich habe noch keine
Conan-Geschichte eines anderen Schriftstellers gelesen, die auch nur an ihn
heranreicht. Howard’s Erzählstil ist in seiner pulsierenden Lebendigkeit allen
anderen einfach überlegen. Das mag ich so an ihm, er ist total direkt. Man kann
das Blut im eigenen Mund schmecken.
Meine Lieblingsgeschichte von R.E. Howard ist
„Tower of the Elephant“, was ist Eure?
P: Mein Favorit ist „A witch shall be born“ [deutscher Titel: Salome,
die Hexe]. Auf unserer „Thulsa Doom“-Single befindet sich das Stück „The
Tree of Suffering“. Darin geht es primär um die Kreuzigungs-Szene aus dem Film
„Conan – Der Barbar“, doch auch um die Original-Geschichte „A witch shall be
born“, aus der die Kreuzigungsszene ursprünglich stammt. Die Idee hinter dem
Lied ist folgende: Jesus war schwach und starb am Kreuz, doch Menschen mit einem
starken Herzen und dem Willen zu überleben, können alles ertragen.
In diesem Kontext habt Ihr zu Beginn des Filmes
sicher auch das Zitat von Nietzsche bemerkt: „Was ihn nicht umbringt, macht ihn
stärker“?
P: Ja, das haben wir auch im Song verbraten,
hahaha! Aber genau darum ging es mir, um diese Idee der überlegenen
Willenskraft.
Zuletzt habe ich noch ein dämliches Spiel für
Euch. Ich gebe Euch zwei Begriffe und Ihr entscheidet Euch für einen.
Pentagram oder Candlemass?
P: Für mich definitiv Pentagram!
V: Die beiden Bands sind so verschieden, aber
ich nehme Pentagram.
„Kings of Metal“ oder „Into Glory
Ride“?
V: “Into Glory Ride”.
P: Yeah, “Into Glory Ride”.
Bier oder Rotwein?
P: BIER!!!
V: Alkoholfreies Bier. Ich bin absolut
Straight-Edge.
Merkwürdig, dass die überraschendsten Aussagen
immer zuletzt kommen…
© Manuel Trummer 2006