Vision Divine : Vision Divine

Ich glaube, dieses Review kann ich recht kurz halten. Schließlich könnt Ihr selbst wunderbar testen, ob Ihr zu der potentiellen Fan-Schar von Vision Divine gehört oder die CD im Laden besser übergeht. Ein Blick auf die Besetzung dieses Projekts aus dem Stiefelland genügt eigentlich: da hätten wir Fabio Lione (vocals, Rhapsody/ex-Labyrinth) anzubieten, Olaf Thörsen, Andrew McPauls und Mat Stancioiu (guitar, keys bzw. drums, alle drei Labyrinth) sowie ein mir nicht bekannter Bassist namens Andrea Torricini. Na? Schon entsetzt schreiend das Review weggeklickt? Nein? Also denn...

Wir haben's hier realistisch gesehen mit einer early Labyrinth-Reunion unter anderem Namen zu tun, und dementsprechend erinnert "Vision Divine" auch oft an deren Debütalbum "No Limits", auf dem Lione seinerzeit noch unter dem obercoolen Pseudonym Joe Terry mitwirkte - das Ganze klingt also 'ne gute Ecke Keyboard-lastiger als die heutigen Labyrinth, aber niemals so überladen mit Special Effects (Geigen, Frauengesang, Kosakenchöre...), wie es bei Liones jetziger Band oft der Fall ist. Weitere Anhaltspunkte sind die stärkeren Momente von Yngwie Malmsteen's Rising Force (erstklassig gespielte Gitarren/Keyboard-Duelle), die ersten zwei Alben von Tad Morose (Gesamtsound) und hier und da ein Schuß Symphony X (beschränkt sich aber im wesentlichen auf das proggige Instrumental "Forgotten Worlds"). Diese Referenzen sollten auch klarstellen, daß Vision Divine der Tralala-Falle größtenteils entgangen sind - die Songs haben zwar eingängige, aber selten aufdringliche Refrains. Besagte Chorusse ähneln sich untereinander leider für meinen Geschmack ab und an etwas zu sehr, so daß auch nicht jeder Song ein Treffer geworden ist - "The Miracle" zum Beispiel ist ein eher durchschnittlicher Beitrag geworden, und das gilt leider auch für die Coverversion des Europe-Klassikers "The Final Countdown", die die Jungs offensichtlich mit viel zu viel Ehrfurcht vor dem Original angegangen sind.

Trotzdem - einige Anspieltips muß ich noch geben, als da wären: die getragene, majestätische Bandhymne "Vision Divine"; das rasend schnelle "Forever Young", das Stratovarius auch nicht besser hätten schreiben können; die bombastischen Mid-Tempo-Nummern "New Eden" (ein Tribut an die gleichnamige Band?), "Black Mask of Fear" und "Exodus" sowie die wunderschöne, das Album perfekt beschließende Ballade "Of Light and Darkness", in der Lione seine mit Abstand beste Gesangsleistung hinlegt und die Rhapsody-08/15-Ballade "Wings of Destiny" um Lichtjahre schlägt.

Noch ein paar positive Worte zu Fabio Lione, zu dessen Fans ich mich bis jetzt eigentlich nie wirklich zählte (er sang bei Rhapsody viel zu penetrant und eindimensional in den höchsten Tonlagen): Wenn "Vision Divine" eins zeigt, dann ist es, daß der Mann wesentlich mehr kann, als man ihn bei seiner Hauptband machen läßt. Hat mich überzeugt!

Fazit: hält als Ganzes vielleicht nicht ganz mit den Klassikeralben "Return to Heaven Denied" oder "Symphony of Enchanted Lands" mit, folgt aber dicht darauf. Sollte man als Fan zumindest mal gehört haben.

(c)2000, Ernst Zeisberger

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