Virgin Steele: The House Of Atreus, Act I

Es ist immer David DeFeis’ (Sänger, Keyboarder und Hauptkomponist) größter Wunsch gewesen, eines Tages eine Rockoper aufzunehmen und sie auf einer großen Bühne zur Aufführung zu bringen. Vor ein paar Monaten war es dann soweit: mit einem Riesenaufwand fand unter dem zungenbrecherischen Titel "Klytemnestra" im süddeutschen Städtchen Memmingen die Premiere des Stückes statt - inszeniert vom Landestheater Schwaben und unter Anwesenheit von Meister DeFeis himself sowie den anderen drei Virgin Steele-Bandmitgliedern.

Nun erscheint der erste Akt auf Tonkonserve, und wenn auf der Bühne etliche Sänger resp. Sängerinnen die verschiedenen Charaktere des Stückes darstellten, so ist "The House Of Atreus, Act I" einzig und alleine vom hauptamtlichen Sänger DeFeis eingesungen. Damit entstand ein weiteres Highlight in der an diesen durchaus nicht armen Karriere Virgin Steele’s.

Schon die letzten drei Alben, die beiden "Marriage Of Heaven And Hell"- Werke sowie "Invictus", waren Meilensteine in der Geschichte des epischen Power Metals und obgleich das neue Album gerade den letztgenannten Kracher nicht ganz zu übertreffen vermag, so können die vier New Yorker mit "The House Of Atreus" ihren Status als eine der weltweit besten Metalbands noch weiter ausbauen.

Ganze 22 Tracks enthält der erste Akt (Akt 2 wird nochmal so viele beinhalten!), wobei allerdings nicht alle "richtige" Songs sind. Vielmehr sind die einzelnen Stücke durch wunderbar-athmosphärische Zwischenparts verbunden, die größtenteils orchestral instrumentiert wurden, wodurch einerseits die Homogenität des Albums gesichert ist, andererseits auch die Story vorangetrieben wird. In dieser geht es um das Schicksal von König Agamemnon, seiner Frau Klytemnestra sowie um Intrige, Verrat und Mord in der Zeit der trojanischen Kriege. Durchaus schwerer Stoff also, der dem Hörer aber durch die gewohnt gekonnten Lyrics von David DeFeis leicht verständlich gemacht wird und dadurch perfekt zur Musik Virgin Steele’s passt.

Diese überzeugt wieder einmal durch Eingängigkeit, vermischt mit viel Pathos, epischen Arrangements sowie meisterhaft eingesetzter Härte. So hat man straight nach vorne riffende Rocker wie "Through The Ring Of Fire" oder "Great Sword Of Flame" in dieser überzeugenden Form von Virgin Steele noch nicht zu Gehör bekommen.

"Kingdom Of The Fearless" zeigt abermals DeFeis‘ Händchen für gelungene Opener: dieser schnelle, eingängige Song ist mit seinen mitreissenden Melodien ein mehr als passender Einstieg für die Scheibe, dessen Niveau mit steigender Laufzeit mit Leichtigkeit gehalten wird. Eigentlich ist wieder für jeden etwas dabei: "Child Of Desolation" zeigt die Band von ihrer bis dato wohl zerbrechlisten Seite (nebenbei befindet sich in diesem Song ein nettes Zitat des soon-to-be-Bandklassiker’s "Emalaith"), während Track 20 ("Agony And Shame") sowie 21 ("Gate Of Kings") ohne Zweifel Virgin Steele von ihrer stärksten Seite zeigen: letzterer ist eine intensive Halbballade mit schwerfälligem Rhythmus und einem Wahnsinns-Refrain, während "Agony And Shame" mit schleppender Gleichmäßigkeit und toller Melodieführung begeistert. Als letztes Beispiel für die Klasse der Band soll "Flames Of The Black Star" dienen, ein von DeFeis zusammen mit Gitarrist Edward Pursino geschriebenes, ungemein vielschichtiges Kurzepos.

Wenn es überhaupt einen Kritikpunkt geben kann, so trifft dies abermals auf die Produktion der Scheibe zu. Vielleicht wäre David DeFeis beim nächsten Mal gut beraten, einen Außenstehenden an seine überragenden Kompositionen zu lassen anstatt alles selber zu machen und so zwangsläufig die für einen Produzenten unabdingbare Distanz zu den Stücken zu verlieren. Zwar tönt die Platte (wie auch die Vorgänger) nicht schlecht, doch ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Stücke wie "The Fire God" oder "In Triumph Of Tragedy" mit einer dem Anspruch dieser Werke einhergehenden Produktion noch besser klingen

Fazit: wieder einmal ein göttliches Album!!

(c) 1999, Michael Kohsiek

1