Thomas Wolf's Stormwind: Stargate (Japan-Import)
Auf dem mir vorher unbekannten japanischen Label Dreamchaser erschien 1998
dieses Debüt des schwedischen Gitarristen Thomas Wolf, der sich eine Gruppe
Bekannte zusammentrommelte um seine musikalische Visionen im Studio
CD-reif zu machen.
Wolf hat eine lockere, fetzige Art zu spielen und legt ungemein viel Wert
auf (neo-)klassischen Melodien, die sich ungefähr in der Schnittmenge
Rainbow/Rising Force/Chastain bewegen. Der Name Chastain drängt
sich nicht
nur wegen Wolfs Gitarrenspiel und Kompositionen auf, sondern auch wegen der
Präsenz einer aussergewöhnlichen Sängerin namens Angelica Häggström. Was
für eine Stimme! Sie hört sich oft an wie Leather Leone zu "Mystery of
illusion"-/"Ruler of the wasteland"-Zeiten ("Hit by the sun",
"Tear of
confession", "Aliens"). Manchmal ("Masquerade of love") klingt
sie wie die
sträflichst unterbewertete Sandi Saraya, die mit ihrer Hardrocktruppe
Saraya, zumindest artistisch gesehen, zwei Treffer landete.
In "Drive my
way home" wird man an bestimmten Stellen gar an Maria McKee erinnert als
sie sich noch bei der Rockband Lone Justice ihre Seele aus
dem Leib sang.
Das letztgenannte "Drive my way home" startet merkwürdigerweise fast
ähnlich wie "Cathedral forest" von Sacred Blade (zu
finden auf dem Reborn
Classics-Bootleg "Seven moonz of Xercez"); es hat fast den gleichen
Gitarren-Effekt und einen ähnlichen Rhythmus. Aus diesem fast beschaulichem
Intro geht dann ein eher straighter Rocker hervor.
Recht seltsam ist, in anbetracht der superben "Stargate"-CD, dass High
Gain/Connected die wesentlich schwächere Scheibe "Heaven can wait" für
Europa lizensiert haben. Nicht nur sind die Stücke darauf weniger
interessant, auch die Produktion ist nicht gerade berauschend. Und das
schlimmste: statt der souveränen Stimme von Angelica Häggström gibt sich
hier ex-Candlemasser/ex-Brazen Abbot-er
Thomas Vikström die Ehre. Wahrlich
kein kleiner Junge, aber stimmbändlich gesehen eben nicht auf dem Niveau
seiner Vorgängerin. Anscheinend gehört der gute Mann aber mittlerweile zum
festen Line-up von Stormwind, womit wir der nicht geringen
Gitarren-Gesangskonstellation Wolf-Häggström schon nach einer Platte
nachtrauern können. Hey, Thomas; bring Angelica back to the mike!
Geniessen wir aber vorerst das hier gebotene. Nach dem obligatorischen
neo-klassischen Intro "Pegasus" (besser als die Aussie-Band) wird man
gleich mit Wolfs feinen, satten Licks und sauberen Soli UND mit Angelica's
fantastischer Stimme konfrontiert: "Hit by the sun" - der Titel ist
Programm. Ein erstklassiger Fetzer wie sie im skandinavischen Melodic-
Metalbuche steht. Für den nachfolgenden Track "Masquerade of love" hat sich
Komponist Wolf wunderschöne, klassische Rainbow-/Deep Purple-Gitarrenläufe
ausgedacht; die orientalisch angehauchte, getragene Midtempo-Nummer fliesst
wie der Tequila im Happy Hour. Die Gesangslinien von Angelica setzen dem
ganzen die Krone auf und als "cherry on the cake" gibt es am Ende ein
melancholisches Violinen-Arrangement.
In "Aliens" und "Time won't tell" (einmal mehr mit diesem Chastain-Touch)
geht es wieder zur Sache. Letzteren Song kann man sich getrost zwanzigmal
hintereinander geben; handfester Melodic Metal mit herrlichen Soli die nie
ausser Kontrolle geraten. Ohnehin scheint Komponist Wolf Flitzefinger Wolf
gut in der Hand zu haben. Kompliment.
Erfreuend auch die Instrumentale "Sakura Opus" (mit Flöte unterlegt) und
"Miramar" (idem, und zudem mit mediterranem Sommerabend-Flair). Die Gary
Moore-style Bluesballade "Cry for your love" wird vokal mit einem
Augenzwinkern vorgetragen (am Ende hört man Angelica herzhaft lachen). Das
Titelstück wiederum ist ein Epic in der "Gates of Babylon"-Tradition
(anfangs mit einer kleinen - absichtlichen? - Verneigung vor dem famosen
"Eve of the war" aus Jeff Wayne's "War of the worlds"). Auch hier
verblüfft
die Kombination Edelriffs-Supergesang; yeah, that's it!
Danach hat der Wolf noch etwas besonderes unter seinem Plektrum: "Beyond
lies", einen langsamen Stampfer mit emotionalen, feurigen Gesangslinien.
Hab ich schon öfters gespielt als die gesamte Legend Maker-CD.
Für die Nippon-Junkies gibt's zwei Extras: ein kurzes Melo-Instrumental
namens "Tears of passion" und das Malmsteen-Remake
"Too young to die, too
drunk to live" (zu blöd, etwas vernünftiges zu schreiben). Letzteres wurde
von einem (verkaterten?) Gastsänger mehr schlecht als recht eingejodelt,
aber besser so: die Häggström einem solchen Durchhänger blosszustellen wäre
'ne verdammte Frechheit gewesen.
Ja, Brüderchen und Schwesterchen der Metallgewerkschaft: diese feine Platte
gehört gekauft, gespielt, genossen. Also dann: Sparschweinchen frontal
attackieren und das Gefundene umgehend neu investieren. Das bringt Rente.
(c) 1999, Oliver Kerdijk