Rage : Welcome To The Other Side
Da sage noch mal jemand, die neue Savatage sei allzu sperrig - nichts gegen das neueste Werk der mittlerweile ziemlich international besetzten Ruhrpott-Legende Rage. Der Titel ist nämlich bemerkenswert treffend, denn im Gegensatz zu den arg bombastischen letzten Alben, auf denen Peavy & Co. mit einem waschechten Orchester arbeiten durften und damit den erdigen Metal früherer Werke leider sehr stark in den Hintergrund spielten, zeigt "Welcome..." die wieder mal zum Trio geschrumpfte Band wahrlich von einer "anderen Seite".
Nach kurzem Intro geht's denn mit "Paint The Devil On The Wall" und "The Mirror In Your Eyes" mit zwei der ohrwurmigeren Songs einer ansonsten sehr gewöhnungsbedürftigen Platte sehr ordentlich los. Es folgt das vierteilige, leicht Savatage-lastige "Tribute To Dishonour", welches mich zwar begeistern kann, trotzdem nicht die Frage vom Tisch fegt, wann man endlich mal wieder den Knüppel aus'm Sack zu holen gedenkt. Als im folgenden das schnelle "No Lies" lediglich ein anerkennendes Nicken anstatt des früher üblichen absoluten Austickens bei mir verursacht, wird mir auch klar, was faul ist im Staate Dänemark. Zwar haben sich die Drei auf das Wesentliche besonnen und überflüssigen Ballast außen vor gelassen; Peavy hat auch nicht vergessen, wie man 'nen zünftigen Ohrwurm verfaßt, und doch fehlt mir schlicht und ergreifend 'n ganzer Packen der Power, die Rage auf Klasse-Alben wie "Trapped!", "Black In Mind" oder "End Of All Days" mal zur wahrscheinlich deftigsten Power Metal-Band aus deutschen Landen gemacht hat (selbst Grave Digger konnten bestenfalls auf ihrem Aggressionsbolzen "The Reaper" einigermaßen mithalten). Nebenbei merkt man auch, daß ein großer Anteil der Songs nicht aus der Feder von Peavy stammt - wäre da nicht seine unverwechselbare, charismatische Röhre, würden wir wahrscheinlich im Durchschnitt versinken. Auch wenn die hochgelobten Musiker zehnmal technisch mehr draufhaben als ältere Besetzungen.
Schlecht ist "Welcome To..." sicher nicht, mit sage und schreibe 17 Tracks auch sehr ordentlich bestückt - es läßt mich aber für 'ne Rage-Scheibe auch nach x Durchgängen erstaunlich kalt. Reinhören sollte also auch man als geneigter Fan vor dem Kauf sicher mal.
(c)2001, Ernst Zeisberger