Marauder: 1821

Epic Metal aus Hellas mit sehr rauhem Shouter bieten
Marauder, die seltsamerweise auf dem brasilianischen
Label Megahard Records gelandet sind. Geschadet hat
ihnen diese interkontinentale Metal-Allianz nicht, im
Gegenteil: das Label aus Sâo Paolo hat sich bei der
CD-Aufmachung nicht lumpen lassen und ein fettes
Booklet finanziert.
Die Scheibe ist ein Konzeptalbum über die
Unabhängigkeitsstreit der Hellenen im neunzehnten
Jahrhundert und dementsprechend kriegerisch
ausgefallen. Man kennt ja die oft recht
nationalistisch ausgerichteten Griechen als durchaus
fanatische Metalheads die voll auf traditionelle Bands
und Heroismus abfahren. Das muss etwas mit der
dortigen Musikkultur (Melodie und Melancholie sind
überall) und der tragischen Landesgeschichte zu tun
haben; Jahrhunderte in türkischer Gewalt haben ihre
Spuren und Narben hinterlassen. Dass der hier
vertonte, von der griechisch-orthodoxen Kirche
spirituell ernährte "Heldenkrieg" (ich drücke mich mal
vorsichtig aus) indirekt zu der späteren
Generalsdiktatur (mit schweigender, schwerwiegender
Rolle für den Klerus) geführt hat, wird leider in den
beigefügten Texten mit dem Verlauf der Revolution von
1821 nicht erwähnt. Hmmm...
Nun aber zur Musik. Die ist auf "1821" qualitativ
nicht zu überhören, und für den griechischen
Underground sogar massgebend. Nie vorher hat sich eine
Band von dort so professionell präsentiert und bisher
gab es keine Truppe, die mit internationalen Acts
mithalten konnte. Der Mix aus epischen und speedigen
Parts dürfte eigentlich jeden Traditionsmetaller
begeistern, zumal die fünf Warriors of Hellenic Steel
so manches Superriff in ihren Kompositionen verbraten
und dazu noch eine Faible besitzen für good old
doppeltes Leadgitarrenfeuer. Manchmal erinnern sie
etwas an Blind Guardian (in den schnelleren Stücken
und im Gesangsbereich), aber die Flagge des epischen
Manowar-Metals flattert stolz im hervorragenden "The
return of the warrior", dem magischen und schleppenden
"The firebrands" (originellster und
atmosphärischster Track des Albums) und "Heroes fight
like the Greeks". Die Gitarren sind bisweilen zu sehr
vorne im Mix, was bei speedigen Sachen ein wenig
nervt. Die Produktion ist den langsameren Stücken eher
gewachsen.
Sehr schade finde ich, dass man - abgesehen von
einigen Akzenten - keine Elemente aus der heimischen
Musikkultur verwendet hat. Die traditionelle Musik
Griechenlands ist eine Fundgrube an traumhaft schöner
Musik, die ausserhalb der Landesgrenzen nahezu
unbekannt ist. Wer mal die Chance hat, sollte
unbedingt mal in Platten von Haris Alexiou, Margarita
Zorbala
oder die göttliche Eleftheria Arvanitaki
reinhören - hier gibt es Gefühl, Tragik und
Melancholie zuhauf und entschliesst sich für die
meisten nicht-Griechen eine unbekannte Klangwelt.
Mit den Texten von den Maraudern habe ich so meine
Probleme. Soll heissen: im Metal gibt es viele Kriegs-
und Heldenlyrik, und ich liebe sie wie (fast) alle
Metalheads das tun. Eskapismus kommt eben in vielen
Formen und Tönen. Man sollte aber immer vor Augen
halten, dass sich Waffengewalt zwar leider nicht immer
vermeiden lässt, sie aber gleichzeitig die letzte
Antwort ist. Ich kann Aggressionen und Extremismus
partout nicht leiden, ob sie nun von links oder rechts
kommen, und mir fehlt einfach das Verständnis für die
Rhetorik in Marauder-Songs wie "Heroes fight like the
Greeks":
"Greece is the place, where lived a superior race
And me, I'm their son, I must do what has to be done"
Ach so? Von Black Metal-Schwachköpfen sind wir solche
Ausrutscher gewohnt, aber passt auf, Leute; auch in
mediterranen Gefilden (seit jeher ein von Kriegen
gebeuteltes Gebiet, dem Balkan nicht unähnlich) gibt
es Ressentiments die man besser nicht zu Papier, und
schon gar nicht zum Metal bringt. Und macht bloss
nicht den Fehler, zu sagen "Ist alles nur symbolisch
gemeint" - diese Griechen, so gut ihre Musik auch ist,
meinen ihre Texte durchaus ernst. Und unterstreichen
somit ungewollt warum ihr Land den so heiss ersehnten
Anschluss an (West-)Europa bisher verwehrt wurde.
Anyway, "1821" ist eine Investition wert wegen der
energisch und farbenreich dargebotenen Musik. Schwingt
also euer Fantasy-Schwertlein gegen
Sparschweinchen-Dick und erfreut Hellion mit einer
Bestellung.

(c)2000, Oliver Kerkdijk