Iron Maiden : Live At Rock In Rio

Iron Maiden ist nie eine Band gewesen, die man nach ihren Livealben bewerten sollte. “Live After Death” mag zwar heute Klassikerstaus innehaben, dennoch bin ich nach wie vor der Meinung, daß das Album ohne den gigantischen Achtziger-Nostalgiebonus nie und nimmer zu den stärkeren Metal-Konzertwerke gezählt werden würde. Ist das gute Stück doch nachpoliert worden bis zum Gehtnichtmehr, und das Publikum beschränkt sich auf ein stetiges Rauschen im Hintergrund. Mit Ausnahme von Derek Riggs’ phänomenalen Eddie-Artwork (das auch nur in der Vinyl-Variante richtig zur Geltung kommt – auf der lieblosen CD-Umsetzung hat man nicht nur die komplette Seite 4 des Doppeldeckers, sondern auch das Backcover frevlerischerweise unter den Tisch fallen lassen) ist hier wenig zu finden, was “Live After Death” in eine Liga mit First-Class-Werken wie Deep Purples “Made In Japan” oder Thin Lizzys “Live And Dangerous” katapultieren könnte.

Das krasse Gegenteil dann die “A Real Live / Dead One”-Geschichte. Soundtechnisch gerade mal auf durchschnittlichem Bootleg-Niveau, hat man hier immerhinnoch eher das Gefühl, mitten im Publikum eines Maiden-Gigs zu stehen (die Liveversion von “Fear of The Dark” beispielsweise ist Legende!). Nur eben ist jener kein sonderlich guter…Anfang der 90er präsentierten sich die Briten eben nicht mehr unbedingt als Einheit.

“Live At Rock In Rio”, um endlich auch mal zum Gegenstand dieser Krititk zu kommen, bietet das, was der Angelsachse gerne “best of both worlds” nennt. Das unglaublich authentisch eingefangene Livefeeling der letztgenannten Alben wurde beibehalten, streckenweise gar noch um Längen übertroffen. Ähnlich wie auf Iced Earths “Alive In Athens”-Meilenstein singt das 250000 Mann starke Publikum beinahe jede Gitarrenmelodie der dreifachen Axt-Attacke Smith/Murray/Gers mit – Gänsehaut pur ist angesagt! Dem paßt sich erfreulicherweise auch der Livesound der Briten an, was ja angesichts von Steve Harris’ starker Beteiligung nicht unbedingt als selbstverständlich anzusehen war.

Womit wohl nur die Songauswahl noch für gespaltene Meinungen sorgen dürfte. Für meinen Geschmack jedenfalls konzentriert man sich etwas zu sehr auf die epischen Longtracks; und so erstklassig ich auch das “Brave New World”-Scheibchen fand, so hätte man auf ein eher live-untaugliches Stück wie “Dream of Mirrors” doch vielleicht zugunsten von ein paar straighteren Krachern verzichten können – vielleicht ein, zwei weitere Songs aus der Bayley-Ära, die mit den beiden Göttertracks “Sign Of The Cross” sowie “The Clansman” doch etwas spärlich vertreten ist. Und gerade diese Lieder machen mächtig Appetit auf mehr, da Meister Bruce sie auch im Vergleich zu den schon sehr starken Originalversionen noch mal um ein paar Nuancen aufwerten kann.

Ach ja: die alten Songs sind die gleichen wie eigentlich immer: “Sanctuary”, “Iron Maiden”, “Hallowed be Thy Name” undsoweiter. Ein paar Überraschungen hätten nicht schaden können, das ist schließlich nicht Maidens erstes Livewerk. Deswegen werde ich mit dem Kauf wohl auch warten, bis die angekündigte DVD zu haben ist. Diese hat wenigstens noch das schlichtweg überwältigende Bildmaterial im Programm…

(c)2002, Ernst Zeisberger

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