Lanfear: The Art Effect

Ich kann mich noch ziemlich genau erinnern, als ich irgendwann im Jahre 1996 die Eigenpressung "Towers" einer neuen deutschen Band namens Lanfear bestellte und sehr beeindruckt von der musikalischen Klasse war, die einher ging mit einer schon damals sehr deutlich zutage tretenden Originalität. Sehr verschachtelt und progressiv ging man bereits damals zur Sache - eine Mischung, die man auf dem 1999 veröffentlichten "Zero Poems" gar noch ausbaute. Besagtes Werk zählt bis heute zu den besten deutschen Alben dieses Genres und wandert immer noch gerne in meinen CD-Schacht. Nun hat sich der Fünfer vier lange Jahre Zeit gelassen, um den Nachfolger auf die Menschheit los zu lassen. Vier VIEL zu lange Jahre, die nicht ohne Lineup-Wechsel vergingen: So verließ Sänger und Keyboarder Stefan Zoerner, der durch seine Stimme die beiden Vorgänger doch stark prägte, die Band. Ersatz wurde gleich in Form zweier neuer Mitglieder gefunden, die nun auf "The Art Effect" zu, ich greife meinem Fazit einfach mal vorweg, phänomenaler Form auflaufen.

Neu-Sänger Tobias Altmann hat eine höhere Stimmlage als sein Vorgänger, die jedoch, zu jeder Zeit kraftvoll und variabel, zum modifizierten Stil Lanfears perfekt passt. Oh Gott - "Modifiziert" ist ja meist gleichbedeutend mit belanglosen Weiterentwicklungsausreden und peinlichen pseudo-modernen Arrangement - Gott sei Dank ist dem bei  Lanfear nicht so.

Denn bereits der Rifforkan des Openers "Stigmatized" (das kurze Intro "Heresy" ist wirklich nicht mehr als ein Intro und etwas überflüssig...) lässt meine Kauleiste auf den Boden knallen - Lanfear goes US Metal! Hier wird gedoublebasst und gerifft, dass es eine wahre Freude ist! Herr Oldhammer brilliert mit seinen großartigen Stimmbändern und die Rhythmustruppe setzt den nötigen, schwermetallischen Teppich unter einen Song, der mehr als ein Ausrufezeichen hinter den Bandnamen setzen sollte! Das nachfolgende "Traces of Inifinity" (mit fantastischem Keyboard-Solo ab Minute 1:22!) ist nicht minder hart, ohne jedoch die mir so wichtigen Melodien zu vernachlässigen. Man höre nur bitte mal wieder die enorm bratenden und dabei so verschachtelt klingelten Gitarrenwände - so muss er sein, unser Metal! Der Quasi-Titeltrack "The Artefact" (klasse Wortspiel übrigens... rührt mich dann mit einem wunderschönen Beginn, nachfolgenden sehr progressiven Gitarren und einem gar übermenschlichen Chorus, der mich laut aufschreien und mich abwechselnd die Tränen wegwischen und  wild umherbangen lässt. Die nachfolgenden Gitarrenarrangements sind dann wieder nicht von dieser Welt - alles Zutaten, die bereits zu diesem Zeitpunkt der CD verdeutlichen, warum "The Art Effect" zu den besten deutschen Veröffentlichungen der letzten Jahre zu zählen ist.

Ihr lest hier immer wieder etwas von knallharten Riffs, Gitarrenwänden und Double-Bass-Geboller - dennoch spielen Lanfear in einer ganz anderen Liga als all die Bands, die mit ebensolchen Ingredienzien in den letzten Monaten und leider schon Jahren punkten wollten, dies aber leider nie hinbekommen haben. Man denke nur mal an die Band, die letzens mit den Worten "die beste, schnellste und melodischste Band der Welt" beworben wurde. Kann sich noch einer an den Namen erinnern? Was hab ich gelacht...

Doch zurück zu wichtigerem: Der Rest der Scheibe hält exakt das fantastisch hohe Niveau, das mich entflammt und freudetrunken zurück lässt. Da hätten wir beispielsweise das am ehesten an "Zero Poems" erinnernde "Conscience Inc." (mit genialem Piano-Break!), den Master of all Guitarriffs und Rausschmeißer, "Regression", das enorm abwechslungsreiche "Deeper" (mit Marillion-Key-Licks, leicht Fates Warning'em Intro sowie gar kurzzeitigen Black Metal-Riffs (!!) ), den schnellen Brecher "Beneath It All" (bang that head that doesn't bang!!), den Athmo-Kracher "The Fortune Lies Within" und den mit erneut unfassbarem Riffing beginnende Power-Ohrwurm "The Spell" (den Refrain brülle ich, seitdem ich die Scheibe zum ersten Mal gehört habe!), die allesamt zum Besten gehören, was die deutsche Metal-Szene JEMALS hervorgebracht hat. Und das als Secret-Track versteckte Piano-Instrumental erinnert mich von der tränentreibenden Atmosphäre gar an "Image of a Faun at Twilight" der mighty Virgin Steele.

Wenn nun noch möglichst viele über ihren hohen Tellerrand blicken und auch mal einer Band die Chance geben, dessen Namen einem nichts sagt, dann kann es über kurz oder lang für Lanfear nur heißen: Auf den Olymp mit euch!

Halt, Jungs, eins noch: wenn ihr nun wieder vier Jahre mit dem Nachfolger wartet komme ich persönlich vorbei und mache euch Feuer unterm Arsch... :-)

 

(c)2003, Michael Kohsiek

1