Virgin Steele: Invictus

 

"Gods of the Night, Gods of the Day

Lead me to another place

We have the force to make Wrong Right

As the River leaves the stream

All your yesterdays, shining bands unfold

With the Power to Smash"

("Veni, Vidi, Vici", lyrics D.DeFeis, taken from "Invictus", 1998)

 

So. Ich sag's gleich. Ich werde mich in diesem Review so überschlagen, wie noch niemals zuvor, denn "Invictus" schlägt alles, was in den letzten Jahren auf Tonträger veröffentlicht worden ist (zumindest im sog. "Heavy-Metal"-Genre)! Basta! Punkt! Aus!

Vor drei Jahren erschien der zweite Teil der grandiosen "Marriage Of Heaven And Hell"-Saga und es war das bisherige Meisterwerk des Songwritingkünstlers David deFeis. Niemals hätte ich mir gedacht, daß auch dieses Album locker getoppt werden könnte, nicht von ihm und von einer anderen Band sowieso nicht. Dies, und genau dies stellte ich mir immer unter intensivster Musik vor, Musik, bei der man alles um sich herum vergessen kann, in die man eintauchen und die man verinnerlichen kann wie keine zweite. Lyrisch herausragend, pompös und episch, verstand es DeFeis, wie nur die Größten der Größten es können, mit seinen Kompositionen und den unglaublichen, ins Fleisch schneidenden Melodien das Innerste des Hörers tief zu berühren und viele bis ins Mark zu fesseln. Etliche musikalische Themen liessen mich niemals mehr los ("Emalaith"!). Und "Noble Savage" ist sowieso (unter Fans wie Kritikern) ein Klassiker der Metal-Geschichte.

Mit "Invictus" hat David DeFeis nun sein bisheriges Lebenswerk geschrieben. Invictus heißt "unbesiegt" oder "Der Unbesiegbare"...

Luca Turilli (Rhapsody),wird nie wieder behaupten "das beste Power-Metal-Album aller Zeiten" aufzunehmen. Joey DeMaio wird nach dem einmaligen Hören dieser 75 magischen Minuten für immer sein vorlautes Mundwerk halten, nach mehreren Hörduchgängen wird er es ganz aufgeben, Musik zu machen. Zu Lebzeiten wurden Virgin Steele mit den selbsternannten "Kings Of Metal" verglichen, spätestens jetzt tun sich allerdings Welten zwischen beiden Bands auf. Jeder einzelne Song auf "Invictus" ist besser als das, was Manowar zur Zeit so auf Tonträger bannen. So hart und unglaublich das klingen mag, es ist die Wahrheit. Es reicht eben nicht aus, mit sich mit Motorrädern und Pleasure-Slaves en masse zu zeigen, zur Abwechslung sollte man auch mal wieder zeitlose Musik zu kreieren in der Lage sein. Wie David DeFeis und Edward Pursino, der jahrelange Songwritingkompagnon von DeFeis und gleichzeitig Meister der sechs Saiten bei Virgin Steele.

An "Invictus" werden sich die Geister nicht scheiden, denn jeder, der auch nur einen Funken musikalischen Verstand hat, wird es zu schätzen wissen, was sich hier abspielt. Die Melodien wurden noch eingängiger, der Härtegrad noch etwas nach oben geschraubt, die epischen und ruhigen Momente wurden noch zahlreicher und packender, der Gesang von DeFeis wurde noch besser und abwechslungsreicher, die Riffs wurden noch progressiver und origineller, die Texte noch lesenswerter (die Geschichte der Charakter Endyamon und Emalaith wird weiterverfolgt) und der Sound noch transparenter und bombastischer, kurz:

An "Invictus" wird sich in Zukunft alles messen müssen, was im weitesten Sinne "Heavy-Metal" ist bzw. sein will!

Wenn man dieses Ansammlung potentieller Klassiker hört, weiß man auch endgültig, warum Deutschlands älteste Stadt (Trier) David gebeten hat, für sie ein Musical zu schreiben (wird noch dieses Jahr in Angriff genommen).

Musik, für die ganz großen Momente des Lebens, Musik für den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter, Musik für traurige und glückliche Momente. Musik für die Ewigkeit.

 

Thank you, David!

 

 

Die 16 Songs im einzelnen:

 

The Blood Of Vengeance (1:53) - ein äußerst intensives und packendes, gesprochenes Intro läutet würdig ein Album ein, das in die Geschichte eingehen wird. Besonders gelungen: die verzerrten (Hintergrund-) Effekte von David's Stimme...

Invictus (5:35) - Tja, und dann wird man förmlich überrollt von einem Opener, der ganz in der Tradition von "I Will Come For You" oder auch "Symphony Of Steele" (die Opener der "Marriage..."-Saga) liegt. Schnell, unglaublich melodiös, mit einem tollen, sich steigernden Refrain, der (das kann nur DeFeis sich erlauben) leider nur zweimal wiederholt wird. Geht sofort ins Ohr und wird man auch nicht wieder vergessen.

Mind, Body, Spirit (7:17) - Straighter, rockiger Beginn, der vom Riffing etwas an das letzte Manowar-Album erinnert. Der große Unterschied: dieses Riff wird nicht zum Erbrechen wiederholt, außerdem ist die Orchestrierung ,Markenzeichen Nummer Eins, wieder einmal sehr gelungen, der Gesang DeFeis's ist mittlerweile auf dem gleichen Niveau wie der von Eric Adams anzusiedeln. Höhepunkt und mich zum Wahnsinn treibender O(h)rgasmus ist dann der zum Heulen wunderschöne und ruhige Schlußpart ("I see my Vision, I see the Line, Circling onward, looking for Nine, I KNOW THE ANSWER IS NOT TO BE FOUND, SAERCHING IN DARKNESS WITH EYES OF THE BLIND..."), der jedem, der nur ein Fünkchen Gefühl in seinem von tausenden Radio-/VIVA-Stunden abgestumpften Körper hat, ganz tief bewegen wird. Erinnert in seiner Intensität an den Klassiker "Noble Savage". Hört Euch nur mal das leise ausklingende Piano an, WAHNSINN!!!

In The Arms Of The Death God (1:19) - Geht als Intro zum gleich folgenden Kracher durch, ein Part wird sich bei "Through Blood And Fire" wieder auftauchen...

Through Blood And Fire (5:30) - Jau, Virgin Steele haben Ihr musikalisches Spektrum wieder einmal nach beiden Seiten hin ausgebaut. Einerseits ist man noch melodiöser, orchestraler und episch-bombastischer geworden, andererseits stößt man auch in bisher ungeahnte Härtegrade (natürlich jenseits von Pantera/Biohazard-Pseudo-"Härte") vor. Ein Beispiel für letztere These ist dieser Ohrwurm, der bestimmt ein Liveklassiker wird. Die Doublebass wird bis zum Anschlag durchgetreten, die Gitarre Pursino's klang noch nie so knallhart und wenn sich David's Stimme zu DIESEM Refrain aufschwingt ist sowieso Hopfen und Malz verloren, will heißen: man kann einfach nicht mehr ruhig sitzenbleiben. Hier wird der Begriff "Hymne" ganz neu definiert!

Sword Of The Gods (7:32) - "I take to the Air, Fear breaks the will of denial, You look for me there, hunting the Skies I am soundless, I fly to the Rainbow, I conquer the Sky..."

Ein weiterer, epischer Song in der Tradition Virgin Steele's, was mittlerweile ein Genre ist, in dem ihnen KEINE ANDERE Band des Universums mehr etwas vormachen kann. Bereits bei der ersten Strophe war es um mich geschehen, der nachfolgende Refrain gibt mir endgültig den Rest: was macht dieser Mann nur die ganze Zeit, warum schreibt der seit Jahren EINEN KLASSIKER NACH DEM ANDEREN?? Warum gibt es nicht mehr dieser Musiker, die derart packende Texte schreiben (die BESTEN im Heavy-Metal-Bereich!)? Wieder einmal genial auch die orchestrale Untermalung dieses epischen Götterstreiches. Spätestens jetzt ist der Suchtfakor dieses Album in ungeahnte Höhen geschnellt. Wenn gegen Ende gar die Melodie von scheinbar hunderten von Stimmen gesummt wird, meine Güte...

God Of Our Sorrows (1:19) - Ruhiges, gesungenes Intermezzo, kurz wird gar das "Marriage..."-Thema angespielt. Was auch in dieser kurzen Zeit an Atmosphäre erzeugt wird, grenzt an ein Wunder.

Vow Of Honour (1:02) - David's Stimme ist hier so hoch wie noch nie zuvor, "Vow Of Honour" stellt einem jetzt schon den Chorus des nachfolgenden "Defiance" vor, wenngleich mit einer ganz anders gesungenen Melodie (bei dem sich die Nackenhaare aufstellen). Packend! ("I fight for my People, my Home and my Land, Fighting is our own Legacy ... on Earth!")

Defiance (6:31) - Virgin Steele goes progressive? Bei dem Anfangsriff könnte man das meinen, wenngleich man sofort eines Besseren belehrt wird, wenn, unterstützt durch ein enorm powervolles Drumming, der Chorus geschmettert wird. Hier fehlen etwas die epischen Momente, ein eher rockiger, geradliniger Song, natürlich jenseits aller "Wine, Women and Song"-Klischees... . Dafür gibt's eher ungewohnte Breaks und ab ca. 3:30 min. kommen auch die Keyboards nicht zu kurz, bevor ein Pursino-Solo dem ganzen die Krone aufsetzt. Ich erinnere nur mal kurz dran: wir sind bei Song Numero 9 und es gibt noch keine schwache Sekunde. Doch es kommen ja noch 7...

Dust From The Burning (4:32) - Dies ist nun der "nornalste"-Song auf "Invictus", gleichzeitig der kürzeste (die Zwischenspiele seien mal außen vor gelassen) und "rockigste". Die Gitarren knallen, sind aber gleichsam melodisch, der Text ist genial, der Refrain ist eingängig, Gesang wie immer spitze, kurz: klasse!

Amaranth (0:21) - kurzes, sehr schönes Piano-Outro für "Dust From The Burning"

A Whisper Of Death (8:52) - Ein doomiges, düsteres Anfangsriff leitet den zweitlängsten Song ein, der exakt das gleiche hohe Niveau sämtlicher Vorgängertracks halten kann. Erinnert mich etwas an den besten Song auf "Marriage... Part Two", "Emalaith". Fast versteckt, nur sekundenlang taucht auch das magische "Marriage..."-Thema wieder auf. Und dieser Wahnsinns-Chorus abermals...

Dominion Day (6:35) - Hymnenhafter, epochaler Beginn. Das der Refrain wieder einmal Ohrwurmqualitäten hat, brauche ich nicht mehr zu wiederholen, oder? Nach 3:39 min. folgen unglaubliche Power-Gitarren, die Iced Earth zur Ehre gereicht hätten, bevor wieder einmal die Melodie-Führung geändert wird und ich schreiend am Boden liege...

A Shadow Of Fear (6:11) - Ach, meine Güte, mir fällt nix mehr ein! Wer jetzt noch nicht begriffen hat, was ihm hier entgeht, wenn er am 20 April nicht vor dem Plattenladen übernachtet um sich dieses Album zuzulegen, dem kann ich auch nicht helfen..-.

"Theme" (from "The Marriage Of Heaven And Hell") (0:22) - Gänsehaut pur, wenn kurz abermals das vorherrschende musikalische "Marriage..."-Theme zitiert wird.

Veni, Vidi, Vici (10:40) - Nun wird's gänzlich unglaubwürdig, denn dies ist einer der besten Tracks des Albums (wenn man das überhaupt sagen kann) und gleichzeitig einer DER BESTEN SONGS DER LETZTEN JAHRE!! Wie hier mit den Gefühlen des Hörers gespielt wird, wie der Song sich langsam aufbaut, auf den Refrain hinarbeitet, ist einfach phänomenal! Bevor nämlich der endgültige Chorus erklingt, gehen eben jenem zwei Bridges voraus, die man zunächst auch für einen Refrain halten könnte, so eingängig, catchy sind sie. Doch wenn DeFeis singt "We came, we saw, we conquered you all!!" weiß jeder, was Sache ist. Die textliche Story kommt zu einem Abschluß, das Album ist leider auch nach 75 Minuten viel zu früh zu Ende...

"Veni, Vidi, Vici" ist ein würdiger Abschluß eines ganz, ganz großen Mega-Albums, das David die Tür zum Heavy-Metal-Olymp ganz weit aufstößt. Amen.


 

"I sing of Power, Magick and Faith

A Sonnet of pure Victory

A Hymn to the Spirits of Freedom and Grace

And whichever Gods there may be...

Manacled, Beaten, Blackened and Burned

Cast from the Light of the Goal

I'll never falter, stumble or kneel

Thanks to the strength of my Soul..."

("Invictus", lyrics D.DeFeis, taken from "Invictus", 1998)

 

(c) 1998, Michael Kohsiek

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