Hammerfall : Crimson Thunder

Zum vierten Male werden sich die Geister scheiden: Retter des wahren Stahls oder armselige Clones? Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen – mit dem unglaublichen Hype um das “Glory To The Brave”-Debüt hat man den Schweden aber definitiv keinen Gefallen getan. Wurden doch schon damals eher durchschnittliche Beiträge (“Unchained” oder die strunzlangweilige Ballade “I Believe” sind die offensichtlichsten Kandidaten) im kollektiven Retrowahn zusammen in einen Sack mit Killertracks vom Kaliber “The Metal Age” oder “Hammerfall” gesteckt. Nun, den Bankkonten der Behämmerten (und insbesondere, wie man wohl annehmen kann, Nuclear Blast) mag das kaum geschadet haben, die Erwartungshaltung der metallischen Innung jedoch ist damit in unverhältnismäßige Höhen gestiegen. Schon der direkte Vorgänger “Renegade” mußte da zwangläufig weit hinter ebenjener zurückbleiben, und so fiel die Kritik teils recht harsch aus – und da zähle ich Dauermeckerer, die ab vierstelligen Verkaufszahlen prinzipiell alles für “Kommerzkacke” halten, noch gar nicht mal mit.

Und mit Album Nummero Vier, so prophezeihe ich mal, wird die Sache nicht viel anders aussehen. “Crimson Thunder” ist ein sehr solides Heavy Metal-Scheibchen mit einigen Volltreffern wie dem hochmelodischen Ohrwürm “Trailblazers”, dem hymnischen Instrumental “In Memoriam”, das uns auch Axel Rudi Pell nicht schöner hätte darbieten können oder dem klasse Uptempo-Rausschmeißer “Hero’s Return”, bei dessen Bauart man sich ordentlich was in der Running Wild-Songwerft abgeschaut hat. Auf der anderen Seite gibt es aber auch wieder einiges an Durchschnitt zu verzeichnen. Nett verpackten Durchschnitt, aber immer noch Durchschnitt. So ist der Titelsong weder episch noch hymnenhaft, sondern schlicht langweilig; und dem ähnlich Accept-lastigen “The Unforgiving Blade” fehlt trotz authentischer Kosaken-Chöre leider auch eine zündende Songidee. Besser klappt die Annäherung an die Solinger Legende dagegen im goilen Opener “Riders on The Storm”, aber dennoch wird mir bewußter denn je, welchen großen Anteil am Gesamtsound der großen Vorbilder Uniformträger Udo Dirkschneider hatte. Und da muß der für melodischere Gesanglinien prädestinierte Joacim Cans im Vergleich fast schon alt aussehen – der Mann harmoniert einfach wesentlich besser mit Melodic-Speed-Granaten der Marke “On The Edge Of Honour”, die auf “Crimson Thunder” leider ein wenig dünn gesät sind. Die oberflache Lyrik der Sorte “hearts on fire, burning with desire” (hierfür hat hoffentlich jemand ‘ne Gehaltserhöhung eingestrichen!) hilft der Sache auch nicht gerade weiter – man höre nur diese zuckersüße, fast schon kariesverursachende Schmalzballade “Dream Come True”, in der Joacim endlich mal ausspricht, was sich Klaus Meine nie zu sagen traute: “Kiss me once and I will surely melt and die, kiss me twice and I will never leave your side, when dreams come true”. Ladies, you heard it here first: the Traumschwiegersohn of steel hath spoken! Mal ehrlich, ich brauche nicht immer philosophisch-religiöse Ergüsse wie bei Warlord, aber ein bißchen Anstrengung in dieser Richtung darf doch verlangt sein, oder? Sonst kann ich ja gleich die deutschen Charts hören…

Objektiv gesehen bleibt uns ein gutes HM-Album, das aber zumindest mich vollkommen gelangweilt hat. Wenn Ihr die letzte Scheibe aber grandios fandet, laßt Euch bloß nicht durch diese Worte vom Kauf abraten. Denn viel hat sich nicht unbedingt geändert (mal abgesehen von der wesentlich fetteren Produktion durch Routinier Charlie Bauerfeind) – ob das nun ein Problem ist oder nicht, diese Entscheidung überlasse ich mal dem metalkundigen Leser...

(c)2002, Ernst Zeisberger

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