Dio : Killing The Dragon

Der das Dio-Klischee Nr.1 behandelnde Albumtitel übertrifft an Plakativität sogar noch den des “Magica”-Vorgängers, und somit sollte klar sein, welche Kost uns Ronnie James diesmal vorsetzen wird. Jau, Old School ist angesagt, oldschooliger noch als zuletzt, und so soll’s ja auch sein, oder? Na also.

Eröffnet wird Dios neuntes Soloalbum nach kurzem Keyboard-Vorspiel mit dem hymnischen Titelsong, der auch problemlos aus dem Maiden-Repertoire hätte stammen können. “Powerslave”-artiges Gitarrengaloppel treibt einen Song an, der in Zukunft zu den Standards des Dioschen Livesets gehören dürfte. Klasse!

Im folgenden wird’s aber doch wieder wesentlich dioesker: Mag “Along Comes A Spider” auf den ersten Hör noch etwas sperrig wirken, so ist bereits das mit einem fantastischen Old-School-Riff ausgestattete “Scream” wie ein Portal in die Vergangenheit. Hätte sich auch auf “Holy Diver” oder “Last In Line” recht gut gemacht. “Better In The Dark” hingegen zieht die Temposchraube etwas an, erinnert gar an alte Rainbow-Tage. Spätestens an dieser Stelle müßte auch dem taubsten Huhn aufgefallen sein, welchen Gewinn der Altmeister mit der Verpflichtung von Neu-Axeman Doug Aldrich gemacht hat. Der Mann rifft und soliert sich mit Weltklasse durch die Songs und spielt sämtliche Sechssaiter, die Ronnie nach Vivian Campbell begleitet haben, problemlos an die Wand.

Weiter geht’s mit der langsamen, epischen Hymne “Rock And Roll”, deren Grundriff zwar, wie schon bei “Otherworld” vom letzten Album, recht deutlich von Led Zeppelin entlehnt wurde, die aber dank des Sabbath-mäßig recht heavy ausgefallenen Ohrwurm-Chorus nichtsdestotrotz ziemlich rult. Ein intelligenter Text, der sich gegen die Radiozensur infolge der Terrorattentate des letzten Jahres (“never trust the song police”) richtet, rundet eins der Highlights der Scheibe gekonnt ab. Schön zu sehen, daß sich nicht bei allen Amis platte Patrioten-Phrasen gegen das eigenständige Denken durchgesetzt haben. Dabei ließ mich die Online-Petition eines Gehirnakrobaten erster Kajüte dafür, den Titel des zweiten “Herr der Ringe”-Films “The Two Towers” aus Pietätsgründen zu ändern, neulich schon mal heftigst zweifeln…

Aber wo waren wir…Dio! Na ja, es folgen leider auch noch zwei eher mittelprächtige Füller, die mir den ansonsten exzellenten Eindruck vom neuen Album leider etwas vermiesen (insbesondere das sehr light ausgefallene “Push”, das wohl ‘ne Hitsingle werden sollte, fällt qualitativ etwas ab), aber dafür folgt mit der dunklen Ballade “Throw Away The Children” noch mal ein echter Volltreffer.

Insgesamt mal wieder ein recht gelungenes Comeback für “the voice of Metal”. Wenn man auch nicht wirklich gegen die ganz großen Klassiker Marke Eigenbau anstinken kann, aber das ist bei einem Mann mit dieser History ja auch alles andere als leicht. Wo “Killing The Dragon” innerhalb dieser beeindruckenden Liste letztendlich landen wird, wird wohl erst die Zeit zeigen…

(c)2002, Ernst Zeisberger

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