Avantasia : The Metal Opera

Ist das wirklich erst sechs Jahre her, daß Edguy mit ihrem fantastischen, eigenproduzierten Erstling meinen Player in Beschlag nahmen? Wenn das gute Stück ("Savage Poetry" - damals noch ohne "The") auch noch ziemlich unausgereift (hey, die waren damals im Durchschnitt ungefähr sechzehn...), daherkam, so war doch bereits damals songwriterisches Potential auch für 'nen Blinden mit Krückstock problemlos im Überfluß erkennbar. Folgerichtig gab's schon wenig später das nicht minder gute Zweitwerk "Kingdom Of Madness", dessen Quasi-Titelsong und 18-Minuten-Epos "The Kingdom" vielleicht die Geburtsstunde des vorliegenden Epos gewesen sein könnte. Beschäftigte sich doch Chefdenker (hehe...) Tobias Sammet schon anno dunnemals mit Inquisition, Hexenverfolgungen und ähnlich metalkompatiblen Themen und hatte mit Grave Digger-Kultröhre Chris Boltendahl in der Rolle des Großinquisitors bereits 'nen szenebekannten großen Namen als Gast aufzubieten.

"Avantasia" nunmehr ist die konsequente Fortsetzung des "The Kingdom"-Gedankens in Albumformat. Musikalisch nicht weit entfernt von den edguyschen Glanztaten, aber zum Glück wieder um einiges abwechslungsreicher als die letzten zwei Werke der Fuldaer Spaßvögel, erregt Tobis erstes Solowerk vor allem Aufmerksamkeit von allen Seiten durch die höchst illustre Gästeliste, die sich wie ein "Who is Who" der Melodic Speed-Szene liest (Hansen. Kiske. Tolkki. Matos. Richter. Großkopf. Jau, der Mann scheint sich Connections aufgebaut zu haben...), aufgelockert von ein paar genrefremden Namen wie Virgin Steele-Sangesgott David DeFeis oder den jüngst an dieser Stelle abgefeierten Rob Rock.

Da weiß man, daß das Technische von vornherein stimmt, und die Songs schließen sich ohne Ausnahme an. "Serpents In Paradise" und vor allem die B-Seite "The Final Sacrifice" (unbedingt die Single sichern, die zehn Märker lohnen sich alleine wegen diesem Hammertrack!) sind dank DeFeis meine absoluten Faves, ansonsten jodeln sich vor allem Tobi selbst und Michael Kiske als sein getreuer Sidekick durch klassische Speed-Hymnen, wie wir sie von letztgenanntem schon seit 'ner halben Ewigkeit nicht mehr zu hören bekommen haben. Dabei bewegt man sich durchgehend auf durchschnittlichem Edguy-Niveau, kann aber keineswegs, wie auch schon gelesen, die unerreichbaren Standards einer "Keeper I" erreichen (die übertrieben alberne "Part II" dagegen ist durchaus in Reichweite). Dennoch, gerade der von Kiske herrlich old-school in höchsten Tönen vorgetragene Chorus des monumentalen Abschlußsongs "The Tower" versetzt mich immer mal wieder zehn, zwölf Jahre in der Zeit zurück - ganz ohne Flux-Kompensator.

Fazit: Daumen hoch für die "Ayreon des Speed-Metals"! Könnte wetten, daß diese Scheibe einigermaßen einschlägt...

(c)2001, Ernst Zeisberger 1