Arch Enemy: Burning Bridges


Den Bandnamen dieses schwedischen Melodic Death-Quintetts mochte ich auf
Anhieb; als ich vor einigen Jahren zum ersten mal mit ihrer Musik
konfrontiert wurde gefiel mir zwar der Gesang nicht, aber die Wut womit sie
gespielt wurde durchaus. Arch Enemy liefern den Soundtrack zur
nostalgischen Zelebrierung alten Thrasher vs. Poser-Zeiten: beim Hören der
ultra-aggressiven Songs weiss man sofort auf welche Seite man gehört
und möchte am liebsten in den nächsten Techno-/R&B-Tanzladen gehen um die
Bude, inklusive bekiffte und zugepillte Anwesenden, zu zertrümmern. Da wir
alle aber 1999 A.D. politisch korrekte, pazifistische Erwachsenen sein
wollen, geht das nicht mehr. Scheisse auch.
Die Poser, liebe Leser, sind aber überall und sie haben viele Gesichter;
kleiner Metallmann, was nun? Tja, einfach die neue Arch Enemy beim
Plattenladen abgreifen, zu Hause die Anlage aufdrehen und den kleinen,
feinen metalbürgerlichen Widerstand pflegen bis die Birne platzt, bzw. die
Wände wackeln. "Burning bridges" heisst die Waffe und sie feuert im
Nippon-Gewand zehn Granaten ab, vor dem die im oberflächlichen Luxus
erstickte Welt sich zu fürchten hat.
Rasender Melodic Death voller dunklen Emotionen, aufgebaut auf aggressiven
aber stets melodischen Gitarrenriffs aus dem Power- und Thrashlager; das
ist das Métier der axtschwingenden Brüder Michael und Christopher Amott.
Auf dieser dritten Scheibe (nach "Black earth" und "Stigmata") hat das
Zweigespann noch mehr gefeilt an der musikalischen Umsetzung ihren ziemlich
brachialen Ideen; da auch die Produktion von Michael Amott und Fredrik
Nordström ausgewogener ist als zuvor kann man deshalb schon von einem
Highlight sprechen.
Zwar ist der krasse Gesang von Johan Liiva (Jon Oliva? Nee, nicht der...)
typisch für Death/Thrash, aber seine Stimme sinkt nie zu tief ins
schwedische Grab, um auch Powerfreaks nicht zu gefallen; zwar bevorzuge ich
nach wie vor die klare Variante, kann mir "Burning bridges" aber ohne
Ohrenschmerzen an einem Stück antun. Die spannende Kombination von Death-/
Thrash-Elementen und hochmelodischen Riffs/Soli besitzt nämlich den wahren
Metalspirit der Achtziger und lässt damit die heuer so inflationäre Anzahl
Hammerween-/Hellofall-Clones todblass aussehen (Oliver, wie recht Du mal wieder hast! -Michael). Keine missratenen
Mitsing-Kerzenlieder (das schreiben dieser Musikstil will gelernt sein -
Hansen rules!) oder drittklassige Priest-/Accept-Muster findet man auf
"Burning bridges", sondern gepfefferten Metal der rebellischen Art.
Ab geht die Post mit dem kompromisslosen "The immortal", weiter mit "Dead
inside" und da ist man der energischen Platte auch schon verfallen.
Hervorheben muss man unbedingt den langsamen Titeltrack; ein pfundschweres
Stück Doom-Death, unterlegt mit Mellotron (jawohl) und Piano. Natürlich
kann man sich als Power Metalfan ab und zu die Frage nicht verkneifen, wie
einen Nackenbrecher wie "Demonic science" oder das überragende Riff-o-rama
"Angelclaw" klingen würden wenn ein gewisser Tom Gattis sie mit seiner
Stimme veredelt hätte, aber hey: man kann nicht alles haben im Leben.
Was man auf dem Japan-Import aber wohl haben kann, ist das unglaublich
intensiv eingeprügelte Europe-Cover "Scream of anger" (vom '84er Album
"Wings of tomorrow"). Da ich seinerzeit diesen Song 'rauf und 'runter
gespielt habe (jaja; Thrasher hatten alle zwei Wochen einen Tag
Poser-Erlaubnis), war das so etwas wie ein schönes Wiederhören. Ohnehin
fällt mir bei den Brüdern Amott auf, wie sehr da der Stil eines John Norum
oder gar Michael Schenker Pate gestanden hat; das macht dieses Duo und ihre
Musik so interessant.
Der zweite Bonustrack ist eine Neuaufnahme von "Fields of desolation"
(erschien ursprünglich auf dem Debüt "Black earth") und enthält ein Harmony
Leadsolo das nur die wenigsten so melodiös hinkriegen. Klasse.
Die Japan-Pressung kommt noch in einem Pappschuber mit zusätzlichem
Farb-Booklet und einem Cover-Sticker.
Aus der Sintflut von überflüssigen Tralala-Veröffentlichungen will diese
(sogar mit Extratracks) zwar kurze aber dafür umso wirkungsvollere Scheibe
unbedingt gerettet werden - damit der rabenschwarze Fahne des wahren Metal
zumindest zuhause wieder so recht piratenmässig flattern kann.

(c) 1999, Oliver Kerdijk

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