John Arch : A Twist Of Fate

Mensch, wieviele Jahre mußten wir jetzt vergeblich auf ein Lebenszeichen von John Arch warten? Hatte sich der Mann mit der Magie in der Stimme doch unverständlicherweise nach den beiden Fates Warning-Göttergaben “The Spectre Within” (man knie vor den Boxen nieder!) und “Awaken The Guardian” (man versinke im Staub!) vollständig aus der Musikszene zurückgezogen. Und damit eine Lücke hinterlassen, die bis heute nicht gefüllt werden konnte – auch nicht von einem unbestittenen Weltklasse-Sänger wie Ray Alder.

Um so größer natürlich die Freude, als Anfang des Jahres die Kunde von Johns Rückkehr die Metallerschaft erreichte. Und nicht nur das – auch mit seinem alten Weggefährten Jim Matheos (g.) würde die Stimme der Götter reuniert werden! (Dazu glänzen in üblicher Klasse die Herren Joey Vera (b., Armored Saint/Fates Warning) sowie Mike Portnoy (dr., Dream Theater, und ganz nebenbei einer von Johns größten Fans).) Trotz der hochkarätigen Besetzung konnte natürlich ein gewisser Zweifel nicht aus dem Weg geräumt werden: kann er’s denn noch, der Herr Arch, oder muß seine Stimme dem Lauf der Zeit und mangelnder Routine Tribut zollen?

Um den gespannten Leser nicht länger auf die Folter zu spannen – er kann! Und wie er kann! Es ist fast unglaublich, aber John tönt, als wäre “Awaken The Guardian” gestern erschienen. “Relentless”, so der Titel des zwölfminütigen Openers, ist aber kein 1:1-Abklatsch alter Fates-Meisterstücke, was ohne die zweite Gitarre eines Ardiuni oder Aresti wohl aber auch unmöglich gewesen wäre. Vielmehr hören wir mit Jim Matheos als einzigem Saitenmeister (dafür aber mit dezent-stilvoll eingesetzten Keyboards) die Fates Warning, die vielleicht hätten sein können. Wenn, ja wenn John denn nach “…Guardian” denn nur nicht die Stimmbänder an den Nagel gehängt hätte.

Letztgenannte verwendet Mr. Arch damals wie heute in unverkennbarer Weise wie ein eigenes Instrument – ich kenne in der weiten Metalwelt unbestritten nicht einen einzigen Vokalisten, der diesen Stil auch nur ansatzweise adäquat kopieren könnte. Und so verwundert es denn auch gar nicht, daß trotz der enormen Länge beider auf dieser EP vertretenen Songs das in der Prog-Ecke weit verbreitete Frickel-Syndrom zu keiner Sekunde auch nur den Hauch einer Chance hat. Johns Begleitmusikanten mögen zwar gewohnt filigran aufspielen – die Songs kommen ohne längere Instrumentalpassagen über die Zeit, ein mehr als eindrucksvoller Showcase des langerwarteten Rückkehrers am Mikro!

Der zweite Song, “Cheyenne” (fast sechzehn Minuten), bietet hingegen all das und noch ‘ne ganze Ecke mehr. Klassischen Prog Rock hat sich der gute John da in nicht geringem Maße zum Vorbild genommen! Insbesondere die Genre-Godfathers von Yes, an deren Frontmann Jon Anderson Herr Arch mehr als einmal erinnert, wenn er denn mal aus den höchsten Tonlagen herabsteigt, dürften für große Teile des Songs wohl Pate gestanden haben. Aber keine Angst, am Metal-Faktor mangelt es natürlich auch nicht, so daß wir auch den zweiten Song ohne jede Abstriche bei den zukünftigen Kniefall-Klassikern einordnen können.

Ergo verbleibe ich in der Hoffnung, daß Jim Matheos demnächst mal genügend Zeit findet, ein komplettes Album mit unserem Stimmbandmagier zu schreiben und aufzunehmen, erst mal mit einem absoluten Kaufbefehl für das göttlichste Metal-Comeback seit Manilla Roads “Atlantis Rising” und den bisher vielversprechendsten Anwärter auf den Titel “Album des Jahres” (hey, das Teil ist fast dreißig Minuten lang, und der Titel “EP des Jahres” ist nun mal nicht sonderlich eindrucksvoll…J)! Welcome back, John Arch!!!

(c)2003, Ernst Zeisberger

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