Agent Steel: Omega Conspiracy

Bis zum heutigen Tag gibt es unzählige Versuche alter Heavy Metal-Legenden, den derzeitigen Boom auszunutzen um einen zweiten Karriereanlauf zu wagen und noch mal so richtig durchzustarten. Allerdings kamen dabei meist zwar hörbare, aber im unvermeidlichen Vergleich zu den Frühwerken doch eher maue Alben heraus. Rühmlichen Beispielen wie Jag Panzer, Breaker oder mit Abstrichen Crimson Glory stehen dabei weniger überzeugende wie Metal Church oder gar völlige musikalische Katastrophen wie Omen und Judas Priest gegenüber, die die Qualität selbstvorgelegter Klassikeralben wie "Metal Church", "Battly Cry" oder "Painkiller" nicht mal ansatzweise erreichen konnten.

Obwohl sich also meine Erwartungshaltung stark in Grenzen hielt, war ich doch etwas nervös, als ich eines Tages das Comeback-Album von Agent Steel in den Händen hielt. Sollte der Band, die sich mit drei Veröffentlichungen zu einer der besten Speed-Thrash-Metal-Bands aller Zeiten aufschwangen, das gleiche Schicksal ereilen wie Priest und Co? Traurige Selbstdemontage?

Nach zwölf endlosen Jahren in der Versenkung feiert der Stahlagent nun also auch seine Wiedergeburt und außer Sänger John Cyriis ist das komplette Team vom zweiten Album ("Unstoppable Force", 1987) wieder am Start. So weit – so gut.

Doch das wichtigste: musikalisch hat sich - für mich unbegreiflich und daher umso begeisternder - fast gar nichts verändert! Und das ist die eigentliche Sensation: Während allerorten auf der berühmten "musikalischen Weiterentwicklung" herumgeritten wird (die oftmals nur eine Entschuldigung für ein fröhliches Fähnchen-in-den-Wind-hängen ist), regieren bei Agent Steel auch anno 1999 nur drei Vokabeln: Power, Power und noch mal Power!

Während Drummer Chuck Profus unmissverständlich den Takt vorgibt, knallen einem Agent Steel so viele pfeilschnelle Riffs um die Ohren, dass es eine wahre Wonne ist! Egal, ob man den Opener "Destroy The Hush" anspielt, das nachfolgende "Illuminati is Machine" auflegt, einem "Infinity" um die Ohren bläst oder "Know Your Master" dem Titel alle Ehre macht – es gibt einzigartigen Speed Metal zu hören, den 1999 keine andere Band mehr spielt und den man aus diesem Grunde eigentlich noch ein paar Dezibel lauter hören sollte. Eingängige Melodien gibt es ebenfalls zuhauf; zum Glück ohne den heutzutage inflationär auftretenden Tralala-Faktor vieler ihrer Kollegen.

Das ist wie eine Reise in die Vergangenheit, als den Fans noch keine "groovenden Rhythmen" und "ultracoole Loops" aus dem Computer mit zufällig beigemischten verzerrten Gitarren als "Heavy Metal" verkauft wurde – Leute, aufwachen! "Omega Conspiracy" ist Heavy Metal, Agent Steel sind Heavy Metal!! Aber wie war noch das Sprichwort mit den Windflügeln...

Wenn das teils schleppende, teils rasende "Awaken The Swarm" meine Hörmuscheln durchfegt, ich die sirenenhafte Stimme der Neuentdeckung Bruce Hall höre und die wundervolle Ballade (!) "Bleed Forever" (veredelt mit abartig genialer Gitarrenarbeit) einen Kontrapunkt zum Rest der Platte darstellt, vermisse ich schmerzlich all das, was in den Achtzigern musikalisch weltbewegendes auf dem Metalsektor erschienen ist: Realm, Anacrusis, Fifth Angel, Attacker, Helstar, Deadly Blessing und wie sie alle heißen. Alle mussten letztendlich ins Gras beißen, mussten sich aufgrund widriger Umstände, Abzockereien oder schlicht und ergreifend Misserfolg auflösen, obwohl sie heute (und da bin ich mir sicher!) neuen "Metalhelden" wie HammerFall verkaufstechnisch durchaus das Wasser reichen könnten. Und das Beste war, dass Korn damals wirklich nur ein widerlicher Schnaps war, während Korn heute widerliche... aber lassen wir das.

Macht nun das einzig richtige und kauft Euch dieses Killeralbum namens "Omega Conspiracy". Vielleicht spendiert Euch das Album dann eine kleine Gratiszeitreise in die glorreichen Achtziger. Passenderweise läuft im Hintergrund gerade erwähntes "Bleed Forever". Und wie singt Hall da so schön? "We had our chance..." Nutzt diese Chance, verdammt. Noch mal werdet Ihr kaum die Gelegenheit bekommen.

(c) 1999, Michael Kohsiek