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Dream Theater : Six Degrees Of Inner Turbulence

“Nanu?”, fragt man sich erstaunt, wenn zum ersten Mal das mittlerweile siebte Studioalbum (rechnet man die Veröffentlichung „A Change Of Seasons“ hinzu) der amerikanischen Progressive-Heroen im Player rotiert. Denn mit einer solch brachialen Härte, wie der Opener „The Glass Prison“ ausstrahlt, hatte zumindest ich nicht gerechnet. Doch im Verlaufe der ersten der knapp 14 Minuten wird schnell klar, dass man es hier doch mit einem „typischen“ Traumtheater-Stück zu tun hat. Obgleich der Refrain doch etwas wie ein Fremdkörper wirkt, ist der erste Studiotrack im Jahre 2002 erneut ein Lehrstück progressiver Rockmusik mit all ihren Facetten, Emotionen und technischen Kabinettstückchen geworden, das man mittlerweile gewohnt ist von den New Yorkern.
Ein paar Fakten zum neuen Werk: Das neue Album besteht aus gleich zwei Silberscheiben: CD Numero Eins enthält fünf Stücke mit einer Laufzeit von knapp 55 Minuten, während der zweite Rundling alleine mit dem Titeltrack daherkommt, der allerdings erst bei stolzen 42 Minuten (!) die Ziellinie überquert. Und in eben jenem letztgenannten Magnum Opus liegt der unwiderstehliche Reiz des neuen Albums, das alleine deshalb ein zwingender Kaufgrund sein sollte.
 
Denn so hochgestochen das klingen mag und auch so unwahrscheinlich ob des bisherigen Oeuvres: „Six Degrees Of Inner Turbulence“ (der Song) ist das Beste, was Dream Theater bisher komponiert haben! Bei aller Klasse neuer kompositorischer Anstrengungen wie „Blind Faith“ (ein recht moderner, dennoch zeitlos klingender Rocker mit etlichen unterschiedlichen Parts), „Misunderstood“ (eine melancholische Ballade, die aber urplötzlich in einen alternativ angehauchten Song umschlägt), „The Great Debate“ (ebenfalls ein „typischer“-DT-Song, der sich textlich mit der aktuellen Cloning-Thematik auseinandersetzt) oder „Disappear“ (eine ergreifende Ballade) – DIESER eine Song würde Dream Theater, wären es sie nicht längst, unsterblich machen! Der Hörer wird von den ersten, erstaunlich klassischen Klängen der „Overture“ bis hin zum ruhigen und bewegenden Ausklang „Losing Time“ auf eine musikalische Reise genommen, deren Dichte nicht einmal vom 98er-Album Dream Theaters („Scenes  From A Memory“) erreicht wird. Das musikalische Leitthema des Titelsongs wird ganz in der Tradition klassischer Komponisten mehrfach verändert und taucht ständig wieder auf, während der Song „drumherum“ fast lebendig zu werden scheint. Es passiert schlicht und ergreifend so viel, dass es mir schwer fällt, hier die richtigen Worte zu finden um dem, was die Band hier geleistet hat, annähernd gerecht zu werden. Nur so viel: Wer sich darauf einlässt, vergisst es niemals wieder.
 
Deshalb soll dieses Mal mein dringender Wunsch als Fazit genügen, hier ein paar für musikalische Wunder offene Menschen angesprochen zu haben.

(c)2002, Michael Kohsiek