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Legend: Still Screaming

Wieder so eine Band, die den Markt mit neuen Scheiben überschwemmt. Gerade mal einundzwanzig Jahre nach ihrer letzten EP kommt, zwischendurch gab es eine "Best of" und eine "Anthology" mit allen alten Stücken, schon das neue Album "Still screaming" auf den Markt. Okay, Scherz beiseite. Mit Legend habe ich zumindest nicht mehr gerechnet. Vor zwei Jahren noch stand eine derartige Neuauflage nicht zur Debatte, wie mir Bandkopf Pete Haworth damals mitteilte, glücklicherweise konnte hier das rührige Label Monster Records eine gute Überzeugungsarbeit leisten. Und nun haben wir "Still screaming" vor uns liegen, sie dreht ihre Runden in unserem Player und sie weiß zu gefallen. Legend gehörten seit jeher nicht zu den Bands, die sich am Wettlauf um den Titel der härtesten oder schnellsten Band beteiligten, dementsprechend entspannt und inspiriert gingen sie an ihre Sache heran und tun dies noch heute. Ihr größtes Trademark ist die mittelhohe Stimme von Mike Lezala, dem einzigen neben Pete Haworth beteiligten Mitglied der neuen Legend, welcher von Anfang an dabei war. Sie ist durchdrungen von tiefsitzender Melancholie, ohne nun aber depressiv zu wirken. Sanftmütig und sehr emotional setzt sie Melodiebögen frei, die anders sind, sehr beschwörend, eindringlich, sich gut einprägen lassen, aber sich andererseits nicht aufdrängen. Den instrumentalen Hintergrund liefert allein Pete Haworth, der hier alle Gitarren, den Bass und das Schlagzeug (ein E Drumkit, aber per Hand gespielt, kein Computer, auch wenn es etwas steril klingt)eingespielt hat. Heraus gekommen sind zehn neue Stücke und eine Neueinspielung des alten Knallers "Hiroshima" (muß auf der "Death in the nursery" gewesen sein, ich hab die Scheiben längere Zeit nicht mehr gehört...Asche auf mein Haupt), zumeist von kraftvollen Riffs getrieben, auf einem Fundament aus soliden, straighten Rhythmen fußend. Innerhalb der Gitarrenarbeit lassen sich wieder und wieder kleine Details entdecken. Von daher wird die Scheibe auch nach mehrmaligem Anhören nicht langweilig, es sei denn, man hegt schon von vorneherein eine Antipathie gegen sie, da sie eben sehr relaxt, auf den ersten Höreindruck sehr unspektakulär wirkt. Doch Zaubermeister Haworth hat hier ganze Arbeit geleistet. Massive Akkordwalzen überrollen Dich, sehr gelöst erscheinende Soli schießen Blitzen gleich durch Dein Gemüt. Kleine Leads und Gitarrenläufe verstärken diese Klangwand von innen her. Dann und wann bricht sie jedoch in sich zusammen, schafft Platz für besinnliche, sehr atmosphärische Passagen, die von unendlicher Schönheit sind. Hierbei kommt dann auch die tiefe Melancholie besonders gut zum Tragen. Wie gesagt, es ist eher ein verträumter Ausdruck, denn ein von negativen Emotionen kündender. Als würde man auf einem Felsen sitzend auf das Meer hinausblicken und vor diesem gewaltigen Bild erst seiner eigenen Kleinlichkeit gewahr. Doch diese Momente sind natürlich mit geschickter Sparsamkeit ausgewählt worden, Legend waren, sind und bleiben eine Band, die sich auf dem Grat zwischen Metal, Hard - und hartem Progressivrock bewegt. Ihre Musik ist beinahe erdrückend emotional, wirkt hypnotisch, bezaubert Dich, wenn Du es denn zulässt, tiefer in ihre Klangsphären einzudringen. Legend gehören nach wie vor zu den wirklich eigenständigen und originellen Truppen auf diesem Planeten und lassen mit einem einzigen neuen Album den Großteil des derzeitigen Veröffentlichungsstromes überflüssig werden. Sie atmen den freien Geist der 70er noch immer, sie lassen ihre Inspirationen fließen und münzen sie in nachdenklich machende, dennoch anregende Klangbilder um. Wo viele neue Progbands völlig mechanisch und mathematisch frickeln, entfesseln sie einen lebendigen Soundfluß, der ganz natürlich seinen Weg nimmt. Niemals übertreiben sie es mit komplizierten Läufen, im Grunde sind sie sogar recht straight, dennoch nie zu simpel gestrickt. Somit sollten alle Liebhaber eigenständigen, vom Mainstream meilenweit entfernt liegenden Heavyrocks ihre Möglichkeiten nutzen und sich dieses Kleinod bestellen oder im Laden kaufen, damit sich der Songtitel "Maybe this time" tatsächlich auf ein erfolgreiches Comeback beziehen kann. Insgesamt sind die Texte der Gruppe sehr interessant, sehr vieldeutig, von tieferem Sinn. Sie spielen kritisch mit den aktuellen zeitgeschichtlichen Themen, sie geben einen Einblick in die Seelenwelt Mike Lezalas und Peter Haworths. Ein besonderes Schmankerl ist für mich übrigens das etwas flottere "Generations underground", treibend in der Strophe, heavy groovend in der Bridge, dann sehr mitreißend und melodisch im Refrain. "We were lost and found...generations underground". Im Solopart dann eher getragen, allerdings weiterhin von unheimlicher Intensität. Geile Scheibe!

Kontakt: www.cicd.com/legend /   legend@sinaptik.com

(c)2003, Sascha Maurer