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Meyvn: Last Rites

Austin, Texas ist in der ganzen Welt bekannt für seine Independentszene – ob Film, Theater, Malerei, Literatur oder Musik, Künstler gibt’s wirklich an jeder Strassenecke. Die Stadt ist wegen ihrer relativ progressiv-offenen Atmosphäre quasi das Toleranzgegenstück zum Redneck-Texas der Bush’ler.

Aber kommen wir zum Thema. Die Metalwelt wurde dank Austin, TX um so geniale Bands wie WatchTower bereichert. Jetzt macht sich mit Meyvn eine weitere hoffnungsvolle Progtruppe aus der texanischen Wüste daran, den ‘Lone Star’ der Staatsflagge wieder ein wenig heller erstrahlen zu lassen. Last rites ist der verheissungsvolle Titel des Meyvn-Demos von 2004, enthält sechs Stücke die es im Durchschnitt auf die sechs Minuten Spielzeit bringen. Das kürzeste Stück ist Shine (3.29), das längste Last rites (8.22).

Minuspunkt ist dass wir es hier leider mit einer CD-R mit minimalistisch kopiertem Einliegeblatt zu tun haben, denn was Meyvn musikalisch zu bieten haben, kann sich – vor allem für einen Erstling – verdammt nochmal hören lassen. Nicht nur die kompositorischen Fähigkeiten sind vorhanden, sondern auch die technischen: das ziemlich junge Quartett Drew Creel (Gitarre/Keys), Brad Olson (Drums), Ken Liao (Bass) und Rick Clark (Vocals) spielt locker jede Anfängerprogcombo an die Wand. Ich lehne mich gar noch ein wenig weiter zum Fenster hinaus und behaupte, Mevyn schlägen sich superduper als Vorband von Fates Warning oder Dream Theater. Krass, denkt ihr? Dann hört euch mal den Opener Revolution an. Mehr als sieben Minuten lang begeistert die heavy Mischung aus Progressive und Power Metal, gesungen von einem Kerl dessen Stimme sowohl kraftvoll ist als emotional wirkt, und in jeder Tonlage vollends überzeugt. Die Produktion ist für Demoverhältnisse beachtlich, nur im Drumbereich und am Mix ist da glücklicherweise noch etliches verbesserungsfähig. Sonst hätten wir es ja glatt mit Genies zu tun!

Die Rhythmusgitarrenarbeit und Soli von Drew Creel lassen öfters des Hörers Kinnlade herunterklappen – der Gute klingt alsob Marty Friedman sich frisch von seinen New Age-Irrwegen abgekehrt hat und es nochmal Cacophony-mässig wissen will. Wer die ganz frühen Varney-Sachen liebt, weiss was hiermit gemeint ist: speed and melody all the way und alles schön genau auf den Punkt gebracht. Da Revolution auch noch mit äusserst einprägsamen Gesangsmelodien stoffiert ist und Drum- und Bassparts nur so strotzen vor Energie und Virtuosität, darf man getrost von einem Progpower-Oberknaller reden. Die Keys verleihen das Klangbild noch mehr Farbe und Dynamik, was man auch im aggressiven Cadence (5.36) hören kann, dass teilweise wie eine abgedrehtere Version eines Dream Theater-Songs der Awake-Ära daherkommt. Auch in One shot (5.11) hämmern die vier gnadenlos drauf los, ohne auch nur eine Sekunde ihre Technik zu vernachlässigen oder den Songfaden zu verlieren – ein Killersong. Alles hat Hand und Fuss, wie zum Beispiel auch die Songs der momentan leider verschollenen Hopefuls Within AnotheR das hatten.

Das merkwürdige an Meyvn ist wohl, dass die Band nicht den typischen Texas Metal spielt. Ja, auf Last rites regiert zwar die allseits beliebte Verbindung Aggression-Melodie-Technik, dennoch sind Mevyn vom Helstar-/Arcane-/WatchTower-Stil redliche Kilometer entfernt. Irgendwo zwischen Zero Hour (Gitarrenarbeit, Gesang), Twilight Kingdom (Keys/Gesamtsound) und Dream Theater der post-Images-Periode (Songdienlichkeit der Arrangements) könnte man ihre Musik durchaus ansiedeln, wobei die Powerkomponente mitnichten zu kurz kommt. Das kurze Akustikum Shine ist balladesk, und bietet die nötige Verschnaufpause bevor der Höllenspass mit dem langen Titeltrack und dem Rausschmeisser Your rage (8.16) zu Ende geht. Your rage ist stilistisch etwas ‘offener’ gehalten als die restlichen Songs und tendiert zu eigenwilligem Progmetal à la Pain Of Salvation mit sehr transparenten Strukturen und noch melodischerem Gesang von Könner Rick Clark.

Diese CD-R sollte der Band aus Austin schleunigst einen Plattenvertrag einbringen, denn wer hier die Qualität nicht erkennt, sollte sich an den Ohren operieren lassen. Für alle Progpowerfans gilt aber jetzt schon: kaufen, aufdrehen und fröhlich sein! Erhältlich bei den superschnellen und äusserst verlässigen Jungs und Mädeln von www.cdbaby.com oder bei der Band selbst: www.meyvn.net

(c) 2005, Oliver Kerkdijk