November 2005. Draussen regnet
es in Strömen und ich bemitleide den Postbeamten der sein Fahrrad am Eckhaus der
Strasse abstellt um Päckchen und Umschläge möglichst trocken auszutragen. Der
Umschlag den ich an diesem trüben Herbsttag von ihm erhalte hat ‘Erie,
Pennsylvania, USA’ und einen Aufkleber drauf: ‘Metal re-issue of the year?
Decide for yourself! Damien Steele – The bridge
between Queensryche and Fates Warning’. Oha.
Umschlag aufgemacht, CD in den
Player geschoben und hoppla: der metallische Sommer ist da! Diese CD enthält das
obskure 5-Track-Demo aus 1990 der US-Band Damien Steele, sowie vier weitere
Songs die jahrelang in irgendwelchen Studios vergammelten und ohne die Arbeit
des Progressive Music Management-Labelchefs und Leger De Main-Gitarristen Chris
Rodler wohl nie ans Tageslicht gerückt wären.
Der Stil des Fünfers aus Erie,
Pennsylvania lässt sich genau beschreiben: melodiebetonter US Power mit
progressiven Elementen. Jawohl, Leute, einmal mehr hat sich die Schatztruhe des
US Metal geöffnet und gibt ein feines Archivstück her. Auch heute noch sieht die
Band selbst ihre Musik irgendwo angesiedelt zwischen alten
Queensryche und Fates Warning der frühen Alder-Ära. Das passt schon. Der US
Metal-Kenner wird aber beim hören der CD auch eine musikalisch frappierende
Ähnlichkeit mit der ersten Z-Lot-Z-Eigenpressung oder frühen
Mystic-Force feststellen und, Damien Steele sei
dank, diesem Release nachträglich zum
erhabenen Kreis verblichener Undergroundheroen wie Apollo Ra, Screamer und
Sacred Warrior zählen müssen.
Mit dem heutigen Progmetal
haben diese älteren Aufnahmen von Damien Steele kaum etwas gemein: man sollte
für die Kompositionen auf der CD statt ‘progressiv’ eigentlich das Wort
‘einfallsreich’ verwenden, denn dies trifft eher der Kern der Sache. Klare
Songstrukturen mit tollen Hooklines, jeder Menge Spielereien und Atmosphäre
waren das Métier von Mark Hopkins (Gesang), Paul Staub (Bass) Ben Tomlin
(Drums), Steve Matusik und Mike Learn (Gitarre). Die QR-/FW-Einflüsse hört man
schon klar aus dem grandiosen Opener ‘I am doorway’ raus: eine mystisch
angehauchte Hymne mit genialem Refrain, tollen Gitarrenharmonien (dieser
Anfang!) und songdienlichem Powerdrumming vom feinsten. Mühelos agiert Hopkins
in den hohen Tate-Tonlagen, erwürgt nie die Melodie einer Strophe, nicht mal im
Risiko-Refrain von ‘On the crest of a dune’, einem schleppenden Midtempo-Banger.
Es wird aber mit ‘Wasteland’ (supermelodisches Doppellead-Anfangsriff à la
Crimson Glory’s ‘Azrael’) und dem überragenden ‘Life after life’ gar noch
besser. Wie Matusik und Learn hier zusammenspielen,
müsste jeden Melodiefanatiker in Extase versetzen – ihre Hooklines, Filigran-Leads
und präzisen Soli können mit den Sternstunden von Wilton/DeGarmo, Matheos/Aresti
und Hull/Cook (Lethal) mithalten. Besonders das intensive ‘Life after life’ ist
ein Paradebeispiel für metallische Magie pur, wo auch Drummer Ben Tomlin immer
wieder geschickt das Tempo variiert und mit gezielten Fills seine Akzente setzt.
Im semi-balladesken, etwas in die Länge gezogenen ‘Shadow of our time’ gibt es,
wie in manchem anderen Song auch, ausgefeilte Gesangsharmonien zu entdecken.
Zu erwähnen wäre auch die für Demoverhältnisse
gutklassige Produktion und das saubere Mixing von Keith Veshecco und der Band
selbst - man wusste haargenau wie diese Songs zu klingen hatten. Das ganze
versprüht eine Atmosphäre die den heutigen klinischen Produktionen leider so oft
völlig abgeht, vor allem wenn eine ‘technische’ Band am Werke ist.
Die vier Bonustracks sind
mitnichten Restmaterial, obwohl man bei ‘The last time (I sleep with you)’ und
‘Midnight rendezvous’ die im Songtitel angedeutete ‘leichtere’ Seite der Band zu
hören bekommt. Wenn aber eine Melodic Metal-Komposition so flüssig daherkommt
wie hier ‘The last time’, wird es wohl kaum Gemecker geben. Dass Sänger/Texter
Hopkins – zur DS-Zeit gerademal 18 Jahre jung - später noch eine Weile bei einer
floridanischen Glamkapelle hinter dem Mikro stand, kann man sich vor allem nach
der ganz aus dem stilistischen Rahmen fallenden Party Metal-Nummer ‘Midnight
rendezvous’ durchaus vorstellen.
‘The whisper’ und ‘Dawn’ hauen
glücklicherweise stilistisch in genau dieselbe Kerbe wie die fünf Demosongs.
Schon das getragene ‘Dawn’ überrascht mit einer geradlinigen Transparenz und
zwingender Melodie. Hier hört man schon die Rush-beeinflusste Spielweise heraus
den Matusik später für Andeavour benutzen wird, aber die erste halbe Minute
erinnert total an Fates Warning der Parallels-Phase.
Beim dramatischen ‘The whisper’ stellt man sofort fest.
dass es zwar kein QR-Cover ist, aber dass die Nummer sich dennoch von vorne bis
hinten anhört nach The Ryche während Rage for order.
Schon wegen das brillant eingebaute Gitarrensolo in der Mitte
und Hopkins’ ausgezeichneter Tate-Pastiche muss man diesen Bonustrack unbedingt
gehört haben.
Im schlichten aber klar
designten Booklet finden sich Texte und die Bandgeschichte wieder und aus
letzterer ist zu entnehmen, dass Gitarrist Steve Matusik (mit Chris Rodler in
Progressiv-Projekten wie Andeavour und Mythologic involviert) erneut mit Sänger
Hopkins zusammenarbeitet. Da Matusik nie aufgehört hat melodische und
progressive Musik zu spielen und ab und an auf einer CD zu hören ist, darf man
gespannt sein.
Diese PMM-CD-Première,
versehen mit Mike Learns Originalgemälde vom Demo als Covermotiv, gibt es in
Deutschland bei Else’s Metal Mailorder. Zum Schluss möchte ich noch erwähnen,
dass dieser Release exemplarisch dafür ist, wie man eine
vergessene Metalperle auf CD wiederveröffentlicht. Unterstützt bitte solche
Initiativen, damit wir uns in den kommenden Jahren nicht noch mehr mit Bootlegs
und Downloads rumplagen müssen als es jetzt schon der Fall ist. Essential
Steele!
Website Progressive Music
Management:
www.pmm-music.net
E-mail Chris Rodler:
lenrod@aol.com
(c) 2005, Oliver Kerkdijk